Zu viel Vitamin und zu wenig Geld

Landeslabor Berlin-Brandenburg muss Stromausfall und drohende Kürzungen verkraften

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Im Landeslabor stehen wertvolle Geräte, die Strom brauchen.
Im Landeslabor stehen wertvolle Geräte, die Strom brauchen.

Als die Stiftung Warentest einmal ausgewählte Nahrungsergänzungsmittel untersuchte, kam sie zu dem Urteil, diese seien alle überflüssig, einige sogar riskant. Bei nicht wenigen Menschen herrscht allerdings die Ansicht, dass diese Mittelchen, die konzentriert zum Beispiel Mineralstoffe oder Vitamine enthalten, nützlich oder sogar wichtig seien. Die verschiedensten Nahrungsergänzungsmittel erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, weil sie unkomplizierter zu sein scheinen als eine ausgewogene klassische Ernährung.

»Es sind Lebensmittel und keine Arzneimittel light«, erklärt Experte Nils Niederland vom Landeslabor Berlin-Brandenburg (LLBB). Anders als Medizin benötigen die Nahrungsergänzungsmittel keine Zulassung und können einfach so verkauft werden. Sie unterliegen aber der Lebensmittelüberwachung, für die das Landeslabor neben anderen Bereichen Proben untersucht.

399 dieser Mittelchen hat das Landeslabor unter die Lupe genommen. Bei 200 gab es keinerlei Beanstandungen, bei den übrigen schon. Häufig musste beanstandet werden, dass die Inhaltsstoffe der Pillen nicht richtig deklariert waren. Es ist aber in einem Fall auch vorgekommen, dass ein solches Mittel viel mehr Vitamin in sich hatte als angegeben. Wer es im Unwissen über seine Inhalte nimmt, würde seine Tagesration damit weit überschreiten und könnte deshalb gesundheitliche Probleme bekommen.

Derart gefährliche Produkte werden in aller Regel nicht im Laden verkauft, wohl aber im Internet angeboten, weiß Experte Niederland. Er berichtet, dass es die Mittelchen inzwischen auch als Vitaminpflaster und Nasenspray gibt, demnächst komme vielleicht noch ein findiger Unternehmer darauf, sie als Augentropfen anzubieten. In solchen Fällen werde die Lebensmittelüberwachung nicht tätig. Sie sei lediglich zuständig für das, was in den Mund kommt und durch den Magen geht.

Am Dienstag übergibt das Landeslabor seinen Jahresbericht 2024 an die Berliner Senatsjustizverwaltung und das Brandenburger Agrarministerium, die sich jeweils um den Verbraucherschutz in den beiden Bundesländern kümmern. Die Berliner Staatssekretärin Susanne Hoffmann (CDU) ist wegen eines anderen Termins verhindert. Sie hat das LLBB in einer vorbereiteten Erklärung jedoch »ein positives Beispiel für eine gelungene Zusammenarbeit zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg« genannt.

Dabei sind die Anforderungen durchaus unterschiedlich. Spielt am Hauptsitz in der Hauptstadt die Lebensmittelüberwachung eine dominierende Rolle, so sind es beim Nachbarn in Brandenburg die Tierseuchen, mit denen die Zweigstelle in Frankfurt (Oder) befasst ist. »Das schnelle und adäquate Handeln des LLBB im Krisengeschehen beim Ausbruch der Maul- und Klauenseuche im Januar 2025 bezeugt den hohen Sachverstand und die Zuverlässigkeit des LLBB«, lobt Frank Reichel. Er hat vertretungsweise die Funktion des von seinen Aufgaben entbundenen Brandenburger Staatssekretärs Gregor Beyer (parteilos) übernommen. Wir erinnern uns: Zu Jahresbeginn waren in Hönow vor den Toren Berlins drei Wasserbüffel verendet. Erst das Landeslabor und dann das Friedrich-Loeffler-Institut wiesen bei den Kadavern die Maul- und Klauenseuche nach, die bis dahin seit 1988 in Deutschland nicht mehr vorgekommen war. Seinerzeit war sie in Niedersachsen ausgebrochen. Jetzt musste die gesamte Büffelherde getötet werden. So starben elf weitere Tiere.

Aus dem Jahresbericht
  • Das Landeslabor Berlin-Brandenburg (LLBB) untersuchte im vergangenen Jahr 677 052 Proben.
  • Es wurden 27 566 Lebensmittelproben analysiert und 3039 Proben von Bedarfsgegenständen, Kosmetik und Tabak. 579 114 Proben betrafen die Tierhaltung, zudem untersucht das Labor auch Wasserproben.
  • 13,2 Prozent der Untersuchungsergebnisse gaben Veranlassung zu einer rechtlich relevanten Beanstandung.
  • Bei den Lebensmitteln gaben 12,4 Prozent der Proben Anlass für rechtlich relevante Beanstandungen und bei 6,1 Prozent sind Auffälligkeiten festgestellt worden, die jedoch nicht rechtlich relevant waren.
  • Es mussten allerdings lediglich 0,2 Prozent der Lebensmittelproben als gesundheitsschädlich eingestuft werden und nur knapp ein Prozent als nicht zum Verzehr geeignet. Da von Produkten mit höherem Risiko öfter Proben genommen werden, müssen die Quoten von Lebensmitteln im Warenkorb, die gesundheitsschädlich oder nicht zum Verzehr geeignet sind, erheblich niedriger sein. af

    Wenn die Maul- und Klauenseuche nicht schnell eingedämmt worden wäre, so wäre dies für die deutsche Landwirtschaft eine Katastrophe gewesen. Denn als diese Seuche 2001 in Großbritannien wütete, mussten dort bis zu zehn Millionen Tiere getötet werden. Der dadurch entstandene Schaden summierte sich auf umgerechnet 12,7 Milliarden Euro. Zum Vergleich: In Deutschland werden 10,5 Millionen Rinder, 21,2 Millionen Schweine und 1,5 Millionen Schafe gehalten.

    Nicht weit weg von Hönow entfernt leben im Berliner Tierpark rund 500 Exemplare, die sich hätten anstecken können: Rotbüffel, Pinselohrschweine, Trampeltiere, Alpakas, Giraffen und so weiter. Sie alle hätten getötet werden müssen, wenn es auch nur ein Tier erwischt hätte.

    Es ist aber nicht zum Schlimmsten gekommen. Mehr als 33 000 Proben sind genommen worden. Doch alle Tests waren negativ. Im April erlangte Deutschland den Status zurück, ohne Impfungen frei von der Maul- und Klauenseuche zu sein.

    Schaden angerichtet wurde indessen in der Nacht zum 9. September 2025 durch einen Brandanschlag auf zwei Strommasten. Das führte zu einem Stromausfall in mehreren Berliner Bezirken. Es war der längste Stromausfall in der Hauptstadt seit 25 Jahren und auch das Landeslabor an der Rudower Chaussee war betroffen. Es verfügt zwar über einen Notstromgenerator. Doch der genügt nicht, um einen derart gravierenden Netzausfall auszugleichen. Das Labor musste Hunderte bereits beanstandete Proben vorzeitig entsorgen, die es für eventuelle Rückfragen der Hersteller gewöhnlich noch ein halbes Jahr aufbewahrt.

    Acht bis zehn große Mülltonnen füllten diese Proben, die nicht mehr gekühlt werden konnten, erzählt LLBB-Direktor Mike Neumann am Dienstag. Was mit Notstrom im Zweifelsfall lieber gekühlt wurde, das waren wertvolle Substanzen, von denen wenige Milliliter mehrere tausend Euro kosten können. Durch den Stromausfall sind Geräte kaputtgegangen. Sie zu reparieren oder zu ersetzen, koste mehr als 100 000 Euro, verrät Neumann.

    Ob nun beim Notstrom aufgerüstet wird, ist noch die Frage. Zunächst einmal muss sich herausstellen, ob abgewendet wird, dass die im Berliner Landeshaushalt vorgesehenen Kürzungen das Landeslabor beeinträchtigen. Wenn doch, will Neumann vom Land Berlin wissen, wo er Einschnitte vornehmen soll, um mit weniger Mitteln klarzukommen als im Wirtschaftsplan des Labors vorgesehen. Von Haus aus ist Neumann Chemiker, lernt aber dazu, was Finanzen oder auch die Notstromversorgung betrifft, bei der es nicht allein mit zusätzlichen Generatoren getan ist. Was die Finanzen betrifft, ist er nach eigenem Bekunden »noch frohen Mutes«, dass er den Fehlbetrag ausgeglichen bekommt.

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