Die Kehrseite der goldenen Ananas

Weil die Nachfrage groß ist, reden nur wenige über Arbeitsschinderei und Umweltprobleme

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.
Costa Rica ist die Nummer eins auf dem Weltmarkt für Ananas. Über dreihundert Millionen US-Dollar wurden 2005 mit dem Export der saftigen Früchte erwirtschaftet. Doch für das Ökosystem und die Arbeiter auf dem Feld ist die Monokultur Ananas alles andere als ein erfrischend-prickelndes Vergnügen.
Die Sonne steht hoch. Gegen ihren gleißenden Schein haben sich die Männer mit Baseballkappen und langen, den Nacken bedeckenden Tüchern geschützt; gegen die spitzen und recht scharfen Blätter der Ananaspflanzen haben sie Handschuhe, langärmelige T-Shirts und derben Arbeitshosen angelegt. Zügig wandern die grünen Früchte durch die Reihen, bis die beiden Kollegen auf dem Anhänger die saftigen Früchte abnehmen. Sorgfältig wird mit den Früchten, die auf den Plantagen rund um Guacimo tagtäglich zu Abertausenden geerntet werden, umgegangen. Jede Stiege mit acht Früchten bringt den Eigentümern der Plantagen derzeit rund vier US-Dollar ein, erklärt Marvín Álvarez. Der 43-Jährige ist Manager auf der Finca Piña Caribe und das Geschäft mit den saftig-süßen Früchten ist lukrativ. Nicht mehr ganz so wie im Jahr 2000, als man begann, die ersten drei Hektar zu bepflanzen. Aus den drei Hektar wurden 800 und aus sechzig Arbeitern, die vorwiegend Bananen ernteten, 500, die ausschließlich piña, sprich Ananas, ernten. Dabei ist die Piña Caribe noch klein. Plantagen mit 3000 und mehr Hektar gibt es in der Region um Guacimo. Die Provinzstadt liegt etwa 50 Kilometer von der Karibikküste und dem Atlantikhafen Limón entfernt und hier befindet sich das Herz der costaricanischen Ananasproduktion. »Früchte für 325 Millionen US-Dollar wurden 2005 exportiert, ein Zuwachs von über 25 Prozent«, freut sich Abel Chaves Trigueros, Präsident der nationalen Produzentenvereinigung. Hinter den Bananen und vor dem Kaffee ist die Ananas das wichtigste landwirtschaftliche Exportprodukt des Landes. Und die unkontrollierte Ausweitung der Anbauflächen geht weiter. Auch an der Pazifikküste und anderswo, kritisiert Guillermo Acuña González von der Arbeitsrechtsorganisation Aseprola. Der Sozialwissenschaftler moniert nicht nur die harten Arbeitsbedingungen auf den Plantagen, sondern auch die Gefährdung des ökologischen Gleichgewichts in den Anbauregionen. »Es droht die Verschmutzung von Flüssen durch Pestizide und Düngemittel. Luftaufnahmen beweisen, dass die Anbauflächen auch auf Kosten des Regenwaldes ausgeweitet wurden.« Das bestreitet Abel Chaves Triguero. Er ist der Präsident der Vereinigung der Ananasproduzenten und verweist auf Farmen wie die Piña Caribe. »Dort sind die Arbeitsbedingungen vorbildlich und es wird in Knicks investiert, um das Verwehen von Pestiziden und Düngemitteln zu verhindern«, erklärt der Unternehmer. Doch die Piña Caribe ist die Ausnahme und genau deshalb lässt der Wachschutz selbst Leute aus der Umgebung wie den 42-jährigen Viehzüchter José Chava kaum passieren. »Auf den Plantagen wird nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit produziert«, so Chava, der mit Manager Marvín Álvarez in Kontakt ist, weil die Piña Caribe im Gegensatz zu anderen versucht, die Ausbreitung einer blutsaugenden Fliege zu verhindern. Die nistet in den Stümpfen der Ananaspflanzen, weshalb auf der Piña Caribe die Stümpfe untergepflügt werden. Das ist jedoch lange nicht überall der Fall und auch mit den Pestiziden wird nicht gerade sparsam umgegangen. Anwohner klagen über Allergien. »Darunter leiden viele der rund 20 000 Arbeiter im Ananassektor«, erklärt der Sozialwissenschaftler Acuña. Viele der Feldarbeiter stammen aus Nicaragua, und diejenigen, die ohne gültige Papiere kommen, arbeiten für einen Hungerlohn. Das wird von der Produzentenvereinigung allerdings vehement bestritten. »Wir gehen allen Vorwürfen nach, doch bisher konnten die Kritiker aus dem gewerkschaftlichen und kirchlichem Umfeld keine handfesten Beweise vorbringen«, behauptet Unternehmensvertreter Abel Chaves. Er ärgert sich über die Kampagne gegen die Ausweitung der Ananasproduktion. Hinter der stehen neben den Kirchen die Gewerkschaften und Umweltverbände. Die wollen verhindern, dass sich die negativen Erfahrungen aus dem Bananenanbau wiederholen. Um eine fundierte Untersuchung über die Folgen des Pestizideinsatzes für Anwohner, Flüsse und Verbraucher durchzusetzen, haben sie Klage eingereicht. An den Arbeitsbedingungen auf den Feldern wird sich vorerst kaum etwas ändern.
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