• Politik
  • Krieg gegen Libanon geht in die fünfte Woche

»Wir wollen nur eins: Frieden«

In Beirut wird die Not immer größer und die Hoffnung auf internationale Hilfe immer geringer

  • Karin Leukefeld, Beirut
  • Lesedauer: 3 Min.
In Beirut und noch mehr im Süden Libanons wird die Lage immer unerträglicher. Doch auf die Unterstützung der »internationalen Gemeinschaft« hofft kaum noch jemand.
»Uns bleibt keine andere Wahl, als den Umfang unserer Zeitung zu reduzieren«, schreibt die englischsprachige »Daily Star« in einer Mitteilung an die Leserschaft. Man könne nur noch vier Seiten täglich drucken. Der seit 1952 erscheinenden Beiruter Zeitung geht die Druckerfarbe aus. Der Grund: Israel blockiert und bombardiert alle Land-, Luft- und Seewege nach Libanon. Aber nicht nur Farbe wird rar im Zedernstaat, es fehlt auch an Benzin. Die Autoschlangen vor den Tankstellen erinnern an Irak, Treibstoff wird rationiert. Statt täglich fünf Millionen Liter werden von der Regierung nur noch zwei Millionen freigegeben. »Zehn Liter für zehn US-Dollar werden pro Wagen verkauft«, sagt Raschid, der bei einer lokalen Hilfsorganisation als Fahrer arbeitet. Seit Beginn des Krieges ankern zwei Öltanker vor Zypern, deren Kapitäne sich weigern, Beirut anzusteuern, denn Israels Marine ist nicht bereit, eine sichere Passage zu garantieren. Ein Angebot der US-Marine, die Schiffe zu begleiten, wurde ausgeschlagen, stattdessen fordern die Lieferanten nun eine 15 Millionen US-Dollar teure Zusatzversicherung für die Ladung. Sollte das Öl nicht bis Mitte August in Beirut eingetroffen sein, wird die Stromversorgung nicht mehr aufrechtzuerhalten sein. 60 Prozent der Krankenhäuser dürften dann mit dem Ansturm von Verwundeten und zusätzlichen Patienten nicht mehr fertig werden. Hartnäckig verhindert die israelische Regierung auch den Transport von Hilfsgütern in den Süden des Landes. Man werde auf alles schießen, was sich mit einem Fahrzeug auf den Straßen südlich des Flusses Litani bewege, war auf Flugblättern zu lesen, die im Gebiet der Hafenstadt Tyros von der israelischen Luftwaffe abgeworfen wurden. Weder UN-Transporte, noch Fahrzeuge des Roten Kreuzes sind vor israelischen Raketen sicher. Was Israel »Verteidigung« nennt, stellt sich für die Libanesen anders dar. »Ein klarer Bruch des Völkerrechts«, so ist deren einhellige Meinung. »Was wollen die Israelis?« fragt Sultan Bidawi in seinem Buchladen. »Wie können sie erwarten, dass wir ihre Freunde sind, wenn sie uns nicht einmal das nackte Leben gönnen?« Während die Israelis in Bunkern Schutz vor den Raketen der Hisbollah finden könnten, gäbe es für die Libanesen weder Schutzräume noch Sirenenalarm. Die Erfüllung des Sieben-Punkte-Plans der libanesischen Regierung ist nach einer Umfrage des Beiruter Zentrums für Wissenschaft und Information für die überwältigende Mehrheit der Libanesen unverzichtbar. Auf die Frage, ob die UN-Resolution auch ohne Berücksichtigung dieses Plans angenommen werden sollte, antworteten 88 Prozent der Befragten mit einem klaren Nein. Unter den Schiiten waren es sogar 96,9 Prozent. Zentrale Forderungen des Plans sind ein sofortiger Waffenstillstand und der vollständige Rückzug der israelischen Truppen, die Rückgabe der Scheeba-Farmen, die Freilassung der arabischen Gefangenen in Israel sowie der Einsatz der libanesischen Armee als einzige bewaffnete Kraft in Libanon. Bei einem Krisentreffen der libanesischen Regierung stimmten auch die zwei Minister der Hisbollah dem Regierungsvorschlag zu, zusätzlich zur verstärkten UNIFIL-Truppe 15 000 libanesische Soldaten im Süden des Landes zu stationieren, sofern die Israelis sich vollständig zurückziehen. Die Hoffnung auf internationale Unterstützung ist derweil gering. »Nein zum Entwurf der UN-Resolution« titelte das Montagsmagazin, »Gemeinsam sind wir stark», eine andere Zeitung. »Die UNO ist doch völlig nutzlos«, meint Hassan Hamadi, der vor den israelischen Bomben aus dem Dorf Froun fliehen musste. »Die USA haben sie doch völlig in der Hand.« Der 68-jährige Bauer hat durch den Krieg seine gesamte Tabakernte verloren, fünf Millionen Libanesische Pfund (etwa 3000 Euro). Seine Familie wohnt jetzt beim palästinensischen Schwiegersohn in Burj al Barajneh, dem palästinensischen Flüchtlingslager im Süden Beiruts. Das Lager scheint heute selbst vielen Libanesen sicherer zu sein als so manch anderer Ort im Land, obwohl israelische Raketen die Umgebung schon in Schutt und Asche verwandelt haben. Im Flüchtlingslager von Ain Hilwa bei Sidon wurden allerdings bei einem israelischen Luftangriff bereits mehrere Menschen getötet. »Wir wollen nichts von den Israelis«, erklärt Hassan Hamadi. »Wir wollen nur unser Haus und unser Land. Wir wollen nur eins: Frieden.«
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