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Ex-Prinzessin und Teufelswerk

Das 17. nd-Leserreisentreffen führte nach Schellerhau im Erzgebirge

  • Hajo Obuchoff
  • Lesedauer: 5 Min.

Ein großes Lob kam für Gerd Heinrich. Der Mann hatte die wanderfreudige nd-Leser über die Schellerhauer Höhen im Erzgebirge geführt. Diese Wanderung gehörte zum 17. Leserreisentreffen der Zeitung »neues deutschland«, das in Schellerhau bei Altenberg stattfand. 160 Leserinnen und Leser fanden sich im Hotel BEST WESTERN Stephanshöhe ein.

Natürlich wird um Altenberg jedem Fremden die Geschichte vom Teufel erzählt, der hier nach einem Streit mit seiner Großmutter glühende Kohlen aus seinem Sack verlor und so die Ortschaft Schellerhau schuf. Historiker sehen das natürlich nüchterner: Die Besiedlung dieser Täler um das heutige Altenberg ist verbunden mit einem gewissen Hans Schelle, der an dieser Stelle Wald abhauen ließ und die dort entstandene Siedlung Schellerhau nannte - ein Waldhufendorf, das Bergleute mit Nahrungsmitteln versorgte.

In Schellerhau begeistert heute vor allem die Kirche mit ihrer wundervollen Wand- und Deckenmalerei. Beeindruckt davon auch die Wandersfrauen und -männern der sozialistischen Tageszeitung - obwohl eher atheistisch geprägt. Die Kritik eines einzelnen Herrn indes betraf die Marschverpflegung: »Zwei Flaschen Schnaps für 60 Wanderer waren doch recht knapp«, lächelte der Mann, dessen Name ausnahmsweise im Dickicht der Wälder verborgen bleibt.

Wer nicht so gut zu Fuß oder stärker an geistiger Bewegung interessiert war, konnte nach dem Frühstück Rico Gebhardt auf den Zahn fühlen. Der sächsische Landesvorsitzende und Fraktionschef der LINKEN im Landtag berichtete, wie seine Partei der neuen Koalition von CDU und SPD in Sachsen Paroli bieten will.

Renate Philipp und ihr Mann Horst, die mit dem »nd« schon China und Kuba bereist haben, mögen auch das Naheliegende. Warum auch immer in die Ferne schweifen? »Allerdings habe ich eben einen Zahn verloren«, meinte Horst und war froh, dass sein Berliner Zahnarzt ja nicht so weit sei.

Ausflüge in die nähere Umgebung und zu Sehenswürdigkeiten gehören zum festen Programm des Leserreisentreffens. So ging es am Samstagnachmittag nach Dresden. Ein Besuch der Frauenkirche und ein Abendessen im Pulverturm standen auf dem Plan. »Wir hatten bis dahin noch nie ein Konzert in der Dresdner Frauenkirche erlebt«, erzählte Artur Drescher aus Falkensee begeistert. »Nun hörten wir dort Mozarts Requiem.«

Der Sonntagvormittag hielt zwei Ausflüge zur Wahl bereit: Der erste führte eine Gruppe nach Seiffen, während die andere in Richtung Sächsische Schweiz aufbrach und die Festung Königstein zum Ziel hatte. »Die monumentale Wucht dieser Stätte war überwältigend«, sagte Helga Drescher. Wie ihr Mann Artur lobte sie die hervorragende Organisation des Wochenendes durch GR-Reisen. Der Reiseveranstalter aus Neustrelitz ist seit vielen Jahren Partner bei den nd-Leserreisen.

Wie in jedem Jahr bot das Lesertreffen Möglichkeiten, interessante Persönlichkeiten hautnah zu erleben, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Diesmal waren es der Verleger und Schriftsteller Elmar Faber, die Schauspielerin Christel Bodenstein und Ex-Eissprintstar Christa Luding-Rothenburger. Elmar Faber las aus seinem Buch »Verloren im Paradies«. Es folgte eine rege und begeisterte Diskussion. Nur mit Mühe konnte der Autor den Wünschen nach Signatur seiner Bücher nachkommen.

Ähnliches erlebte Christel Bodenstein. Die Schauspielerin las aus ihrer Autobiografie »Einmal Prinzessin - immer Prinzessin«. Dazu zeigte sie Bilder aus ihrer Kindheit. Aber vor allem erstaunte das Publikum die Vielseitigkeit der Bodenstein. Wer kennt die Filmprinzessin schon als gestaltende Künstlerin? Aus gebranntem Plastilin formt sie seit Jahren kleine plastische Bilder und Figuren. Diese sind auch Grundlage für das von ihr kreierte Spiel für Groß und Klein nach dem Märchen »Das singende, klingende Bäumchen«. Christel Bodenstein nennt diese Art der Beschäftigung »Ausgleichsgymnastik für meine Seele«. Augenscheinlich trifft sie damit auch die Seelen derer, die sie heute noch als Filmprinzessin verehren und lieben. Evelin Fenske, seit 1954 Leserin des »nd«, konnte es gar nicht erwarten und sicherte sich bereits vor der Buchlesung eines der Spiele.

Glatt ging es zu beim Treffen mit der einstigen Eissprinterin Christa Luding-Rothenburger. Die nd-Leserschaft ist zwar sehr sportkundig, aber wohl nur wenige hatten einmal die Gelegenheit, die scharf geschliffene Kufe eines Eisschnelllauf-Schuhs in der Hand zu halten. Auch die Goldmedaille von Sarajevo 1988 und die im selben Jahr in Seoul erkämpfte Silbermedaille im Radsprint kann man nicht jeden Tag so nah betrachten. Wie es zu dem bislang einmaligen Phänomen kam, dass eine Eissprinterin innerhalb eines Jahres sowohl bei den Olympischen Winter- als auch bei den Sommerspielen auf dem Siegertreppchen stand, erfuhr das gespannt lauschende Publikum an diesem Nachmittag. Jirka Grahl, nd-Ressortleiter Sport, entlockte natürlich noch viele Details aus der Laufbahn der Sportlerin und ihres Trainers und Ehemanns Ernst Luding.

In eigener Sache bat nd-Geschäftsführer Olaf Koppe zum Forum. Er informierte die Leser über die Situation der Medien im Allgemeinen und der Zeitung »nd« im Speziellen. Die Zuhörer erfuhren etwas über die Probleme des Zeitungsmachens. Eine aufmerksame Zuhörerin war Irene Siedler. »Früher las ich eher die Berliner Zeitung«, gestand sie. »Aber seit ich aus Berlin ins Umland zog, abonniere ich nur noch das ›nd‹. Hier finde ich Beiträge, die in anderen Zeitungen nicht stehen.«

Am Abschlussabend ging es noch einmal heiß her. Da schien der Teufel doch erneut ein paar Kohlen verloren zu haben. Diskjockey und Illusionist Wolfgang Franke verzauberte das zwar betagte, aber ausgesprochen mobile Publikum. Nicht nur Walzer und Foxtrott zog die Paare auf die Tanzfläche, sogar beim Rock'n Roll und Twist drängelten sich die Tänzer im Saal. Da vergaß der eine oder andere seine Zipperlein und legte noch eine wilde Sohle aufs Parkett. Das gab hoffentlich Kraft für das Leserreisentreffen im nächsten Jahr. Dann geht es nach Friedrichroda - wie immer Mitte November. Bitte weitersagen!

Infos

nd-Leserreisen
Franz-Mehring-Platz 1
10243 Berlin
Frank Diekert,
Tel. (030) 2978 1620
Fax -1650
leserreisen@nd-online.de
www.neues deutschland.de/
leserreisen

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