Die Suche nach dem Supergrünkohl

Oldenburger Experten wollen Sorten verbessern

  • Irena Güttel, Oldenburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Norddeutschen lieben ihren Grünkohl. Schön deftig mit Wurst, Speck oder Kassler kommt er im Winter auf den Teller. Das finden viele lecker. In Süddeutschland kann man darüber nur den Kopf schütteln. Das grüne Gemüse fristet dort ein Nischendasein. Grünkohl ist eben eine Wissenschaft für sich. In Oldenburg (Niedersachsen) nehmen ihn Biologen deshalb genau unter die Lupe.

Dirk Albach inspiziert ein Beet im Botanischen Garten der Oldenburger Universität. Rund 40 Sorten Grünkohl wachsen hier: saftig grüne, blasse, rote, weiß blühende - einige davon wirken recht mickrig. Bis zu drei Meter hoch kann Grünkohl werden. Doch auf Masse kommt es dem Wissenschaftler nicht an. Ihn interessieren allein die Inhaltsstoffe des grünen Gemüses, das unter den Kohlsorten quasi der Superstar ist. Grünkohl enthält besonders viel Vitamin C und dazu etliche Stoffe, die Krebs hemmen oder den Cholesterinspiegel senken können.

Die Nebenwirkungen des gesunden Powercocktails: Mancher Grünkohl schmeckt ganz schön bitter. Albach rupft ein Blatt von einer Pflanze ab, steckt es in den Mund und kaut langsam darauf herum. «Kaum bitter», urteilt er. «Das ist italienischer Grünkohl, der hat die wenigsten Bitterstoffe.» Leider aber auch weniger gesunde Anteile. «Es gibt nicht den Grünkohl, der alles kann», erläutert der Biologe. Doch das soll sich ändern. In den nächsten Jahren will er mit seinen Studenten eine neue Grünkohlsorte züchten, die mildes Aroma mit viel Nährstoffen verbindet.

Ob die Norddeutschen das zu schätzen wissen? «Wenn man Grünkohl eine Stunde kocht, schmecken alle Sorten gleich - und die guten Inhaltsstoffe sind weg», gibt Albach zu. Dass im «kale» - so der englische Name - mehr kulinarische Möglichkeiten stecken, haben die Amerikaner schon länger erkannt. Restaurants bieten ihn als Salat, mit Pasta oder auf Brot an. Rohkost-Liebhaber mixen die Blätter in Smoothies. Und First Lady Michelle Obama schwört auf Grünkohl-Chips als gesunde Knabber-Alternative, wie sie in der «Tonight»-Show« sagte.

In Deutschland ist der Grünkohl alles andere als ein Trend-Gemüse. Bundesweit wächst er nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes nur auf 1000 Hektar, der Großteil davon in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Zum Vergleich: Möhren kommen auf die zehnfache Anbaufläche. Vor allem im Süden hat der Grünkohl es schwer. Nur wenige Bauern pflanzen ihn an. Auch auf den Speisekarten der Restaurants ist er kaum zu finden.

Das »Essigbrätlein« in Nürnberg ist da eine Ausnahme. Besitzer Andree Köthe, ein gebürtiger Nordhesse, kennt Grünkohl von Zuhause. Jedes Jahr überlegt er sich neue Gerichte mit dem vielseitigen Gemüse. Er entsaftet die Blätter zum Beispiel für eine Creme oder brät sie knusprig an. »So dass es ein bisschen knackt, wenn man rein beißt«, erläutert der Sterne-Koch.

Mit dem norddeutschen Klassiker hat das nur noch wenig zu tun. Auch wenn die Bayern es gern deftig mögen, das schwere Gericht würde bei ihnen eher nicht ankommen, meint Köthe. »Dafür gibt es hier Sauerkraut.« dpa/nd

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal