Seidenstraße bis nach Europa

Kasachstan orientiert sich außenpolitisch in mehrere Richtungen und würde im Ukraine-Konflikt vermitteln

  • Hubert Thielicke, Astana
  • Lesedauer: 3 Min.
Angesichts von Sanktionskriegen und weltwirtschaftlichen Problemen will Kasachstans Präsident Nasarbajew mit einem Konjunkturprogramm die nationale Ökonomie stärken.

Der Ukrainekonflikt werde in Kasachstan sehr bedauert, immerhin teile das Land mit Russland und der Ukraine viele Jahre einer gemeinsamen Geschichte, betont Erlan Karin, Direktor des Instituts für Strategische Studien, im »nd«-Gespräch. Sowohl bei Treffen mit den Staatsoberhäuptern beider Staaten als auch in zahlreichen Telefonaten habe sich Präsident Nursultan Nasarbajew für eine Lösung eingesetzt. Er sei auch weiterhin bereit, zwischen beiden zu vermitteln und zu Verhandlungen nach Astana einzuladen. Beide Länder sollten Wege zum Dialog suchen. Grundprinzipien müssten dabei sein: Einstellung des Krieges, Ende der Sanktionen. Der Sanktionskrieg gegen Moskau habe auch negative Auswirkungen auf die ökonomische Lage Kasachstans, das mit Russland über die Zollunion verbunden ist.

Antwort auf Auswirkungen der Sanktionen, die weltwirtschaftliche Krisenlage und nicht zuletzt den Preisverfall für Rohstoffe soll eine neue Wirtschaftspolitik Kasachstans sein. Wie Präsident Nasarbajew im November erklärte, will man in der nächsten Zeit beträchtliche Mittel des mit dem Erlös bisheriger Rohstoffexporte gebildeten Nationalfonds in wichtige wirtschaftliche, infrastrukturelle sowie soziale Projekte investiert und so Wachstum wie Beschäftigung unterstützen. Von 2015 bis 2017 werden bis zu drei Milliarden Dollar jährlich zusätzlich bereitgestellt. Allein durch den Straßenbau sollen 200 000 neue Arbeitsplätze entstehen.

Ökonomischer Pragmatismus liegt auch der Teilnahme Kasachstans an der ökonomischen Integration im postsowjetischen Raum zugrunde. Angesichts der engen wirtschaftlichen Bindungen und einer fast 7000 Kilometer langen Grenze zu Russland sei die am 1. Januar nächsten Jahres in Kraft tretende Eurasische alternativlos für Kasachstan, so Erlan Karin, dessen Institut für Strategische Studien beim Präsidenten der Republik Kasachstan 1993 gegründet wurde. Als letzte Regierungsinstitution zog es im Oktober von Almaty in die neue Hauptstadt Astana um.

Die Wirtschaftsunion könne als »Brücke« zwischen der EU und der sich rasant entwickelnden ostasiatischen Region dienen. Gleichzeitig betreibt das Land eine Politik der »Multivektorialität«, das heißt, es orientiert sich in seiner Außen- und Wirtschaftspolitik in mehrere Richtungen. Neben Russland sind auch China, die EU und die USA von großer Bedeutung. In Zentralasien steht der Ausbau der Verkehrsverbindungen im Mittelpunkt, um der eigenen Wirtschaft transregionale Wege zu eröffnen, aber auch die Rolle des Landes als wichtiger Verkehrsknotenpunkt und Transitkorridor im Herzen Asiens auszubauen. So wurde Anfang Dezember die mehr als 900 Kilometer lange Eisenbahnlinie Kasachstan-Turkmenistan-Iran fertiggestellt. Im nächsten Jahr soll die Ost-West-Autobahn folgen, eine Art neue »Seidenstraße« von Westchina nach Europa.

In der Region ist Kasachstan mit dem Afghanistan-Problem konfrontiert. Gefahren werden vor allem im Terrorismus und Extremismus, aber auch im Drogenhandel gesehen. »Militärische Maßnahmen allein werden Afghanistan nicht stabilisieren«, schätzt Erlan Karin ein. »Erforderlich sind verstärkte ökonomische und humanitäre Programme.« So habe Kasachstan in den letzten Jahren Hilfe mit Nahrungsmitteln und Treibstoffen geleistet. Etwa 50 Millionen Dollar wurden zur Verfügung gestellt, um Tausende afghanische Lehrer, Ärzte, und Transportspezialisten auszubilden. Mehr derartige Projekte sind nach Meinung des Institutsdirektors erforderlich, um die Auseinandersetzungen in Afghanistan zu beenden.

Kasachstan habe vermittelnd gewirkt, um die internationalen Gespräche über das iranische Atomprogramm voranzubringen. Überhaupt misst es der nuklearen Nichtweiterverbreitung und Abrüstung große Bedeutung bei. Nach dem Zerfall der Sowjetunion verfügte es Anfang der 1990er Jahre nach den USA, Russland und der Ukraine über das viertgrößte Arsenal an Kernwaffen. Diese wurden jedoch innerhalb kurzer Zeit nach Russland überführt. Bereits zuvor hatte Kasachstan das Atomtestgelände von Semipalatinsk geschlossen, wo die Sowjetunion jahrzehntelang Kernwaffenversuche durchführte. Der 2006 dort von Kasachstan und vier weiteren zentralasiatischen Staaten unterzeichnete Vertrag erklärt die Region zur kernwaffenfreien Zone.

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