Schweden vor Abstimmung über Zuwanderung

Rechtspopulisten legen weiter zu und zwingen anderen Parteien ihr Wahlkampfthema Nummer eins auf

  • Bengt Arvidsson, Stockholm
  • Lesedauer: 3 Min.
Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten haben die rot-grüne Regierung gestürzt. Bei den Neuwahlen am 22. März steht dann auch die bislang generöse Einwanderungspolitik auf dem Prüfstand.

Bislang galt Schweden als Bollwerk gegen Rechtspopulismus. Sowohl die acht Jahre regierende bürgerliche Vorgängerregierung als auch die seit zwei Monaten regierender rot-grüne Koalition hatten das Thema Einwanderung bei den vergangenen drei regulären Wahlen einvernehmlich ausgeklammert und die Schwedendemokraten (SD) ignoriert.

Man werde nicht die gleichen Fehler machen wie die etablierten Parteien bei den skandinavischen Nachbarn, hieß es. Aus Angst vor Stimmenverlusten durch aufstrebende Rechtspopulisten wetteiferten in Dänemark Sozialdemokraten und Bürgerliche lange um eine restriktivere Einwanderungspolitik.

Das half aber nicht. Genauso wenig wie die Integration der Rechtspopulisten. Die ausländerfeindliche Dänische Volkspartei (DF) setzte als Stützpartei einer bürgerlichen Minderheitsregierung eine extrem stramme Einwanderungspolitik durch. Die DF ist laut der jüngsten Umfrage erstmals die stärkste politische Partei Dänemarks. Auch in Norwegen, wo die Fortschrittspartei erstmals in einer bürgerlichen Regierung sitzt, nimmt rechter Einfluss zu.

Doch auch an der Basis der Sozialdemokraten brodelt es. »Es gibt viele Sozialdemokraten, die finden, wir müssen das Thema übernehmen und die Einwanderung reduzieren. Aber es ist noch nicht stubenrein, das offiziell zu fordern«, bekennt ein Stockholmer Parteifunktionär gegenüber dieser Zeitung. In den bürgerlichen Parteien, die bei den jüngsten Wahlen erhebliche Wähleranteile an die SD verloren haben, sieht es ähnlich aus.

Die SD, eine Partei mit inzwischen weggewaschener Neonazi-Vergangenheit, thematisierte bislang als einzige Partei die Zuwanderung als Problem. Sie zog erst 2010 mit über vier Prozent in das Parlament ein. Im September steigerte sie ihren Stimmenanteil bereits auf 12,9 Prozent.

Verwunderlich bleibt es laut konservativen wie linken schwedischen Kommentatoren dennoch, dass die etablierten Parteien es zu Neuwahlen haben kommen lassen. Ministerpräsident Stefan Löfven hatte die bürgerliche Opposition nahezu angefleht, einem Kompromiss beim Haushaltsentwurf zuzustimmen, um die Neuwahlen abzuwenden. Das konservative Lager aber ließ seinen Entwurf von den Schwedendemokraten absegnen.

Nur die SD, nach deren Pfeife man nun tanze, könne sich eigentlich darüber freuen. Ihr Vorsitzender Mattias Karlsson kündigte bereits an: »Wir wollen, dass diese Wahl zu einer Volksabstimmung über Einwanderung wird.« Bei dem Urnengang wird seine Partei vermutlich noch mehr Stimmen erhalten und die Rolle als Königsmacher zwischen den Blöcken im Reichstag weiter ausbauen. In Umfragen klettert SD bereits auf knapp 17 Prozent.

Bei der Neuwahl im März wird erwartet, dass der Linksblock etwas mehr Stimmen erhalten wird als der bürgerliche und erneut den Auftrag zur Regierungsbildung bekommt. Neuwahlen könnten somit nur aus der Pattsituation führen, wenn die Sozialdemokraten sie dazu nutzen, die Grünen aus der Regierung zu werfen und sich vom bürgerlichen Lager tolerieren zu lassen. Der zum rechten Flügel gehörende Löfven dürfte prinzipiell nichts dagegen haben. Er rief bereits dazu auf, alte Blockgrenzen aufzulösen. Eine große Koalition gilt in Schweden aber bislang als Tabu.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal