Streit um Maria und Josef

Gericht verbietet das Aufstellen von Weihnachtskrippen in staatlichen Gebäuden

  • Christine Longin, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Weihnachtskrippe hat in einem staatlichen Gebäude in Frankreich nichts zu suchen. Das entschied ein Gericht. Seither wird heftig gestritten.

Maria kniet im blauen Mantel vor der Krippe im Stroh, umringt von Schäfchen, Engeln und Hirten. So sah die Weihnachtskrippe aus, die im vergangenen Jahr im Generalrat des westfranzösischen Departement Vendée stand. Dieses Jahr muss das Verwaltungsgebäude in der traditionell katholischen Region auf den Weihnachtsschmuck verzichten, denn ein Gericht hatte letzte Woche das Aufstellen der bunten Figuren verboten. Seither streitet Frankreich um die Grenzen der Trennung von Kirche und Staat, die seit 1905 gilt. Das Prinzip der Laizität ist es auch, das das Kopftuch an Schulen oder die Burka in öffentlichen Gebäuden verbietet. Doch die Krippe geht für viele Politiker über die Religion hinaus - sie gehört zum französischen Kulturgut.

»Werden wir morgen mit Leitern die Sterne von der Weihnachtsbeleuchtung an den Straßenrändern abmontieren?«, fragt der Vorsitzende des Generalrats der Vendée, Bruno Retailleau, verärgert im Fernsehen. »Ein Stern ist auch ein religiöses Symbol«, bemerkt der Politiker von der konservativen UMP. Geklagt gegen die Krippe hatte die Vereinigung der Freidenker. »Diejenigen, die kniend vor den Krippen in den öffentlichen Gebäuden applaudieren, würden Schreckensschreie ausstoßen, wenn es sich um ein muslimisches oder jüdisches Symbol handeln würde«, erklärt sie.

Frankreich mit seiner überwiegend katholischen Bevölkerung hat sowohl die größte muslimische als auch die größte jüdische Gemeinde Europas. Eine Beobachtungsstelle wacht für die Regierung darüber, dass das Prinzip der Laizität eingehalten wird. Als »religiöses Symbol« habe die Krippe nichts in Behörden zu suchen, befand das Gremium vergangene Woche. Allerdings gebe es auch örtliche Traditionen zu berücksichtigen.

Im siebten Stadtbezirk von Marseille ließ Bürgermeister Stéphane Ravier vom rechtspopulistischen Front National (FN) eine Krippe aufstellen. Die Partei von Marine Le Pen stellt seit den Kommunalwahlen im Frühjahr rund ein Dutzend Bürgermeister, von denen die meisten nun ganz demonstrativ die kleinen Heiligenfiguren herausholen. Julien Sanchez, FN-Bürgermeister im südfranzösischen Beaucaire, führte im Kurznachrichtendienst Twitter sogar das eigene Stichwort »Widerstand« für seine Krippenfotos ein.

»Es gibt in diesem Land nur den Front National, der die christlichen Wurzeln verteidigt«, sagt Ravier und wettert gegen die »Ayatollahs der Laizität«. Dabei beruft sich gerade der FN gerne auf die Trennung von Kirche und Staat, wenn es um das Verbot von Kopftüchern oder die Straßengebete der Muslime geht.

Konservative und Sozialisten wollen verhindern, dass die Krippe vom Front National für seine Zwecke ausgeschlachtet wird. Die neue Nummer zwei der konservativen UMP, Nathalie Kosciusko-Morizet, sagt: »Ich finde es schade, dass man einen Krieg um diese Themen anfängt - vor allem vor Weihnachten.« Und der sozialistische Regierungschef Manuel Valls mahnt: »Das sollte uns nicht spalten.«

Das sieht die katholische Kirche ganz ähnlich. Der Sprecher der Bischofskonferenz bekundet offiziell Respekt vor der Neutralität des Staates und die katholische Zeitung »La Croix« fordert Gelassenheit, denn: »Die Weihnachtstraditionen sind fest in den Köpfen verankert und werden von den Franzosen als Gelegenheiten des Zusammenseins erlebt ... Keiner will sich wirklich davon trennen.«

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal