Keine weinselige Idylle

Im Rheingau geben immer mehr Winzer ihren Betrieb auf

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Während die seit knapp 16 Jahren regierende Hessen-CDU den »Mittelstand« umwirbt, macht die Dominanz der Hessischen Staatsweingüter kleineren Winzerbetrieben zu schaffen.

Der westlich von Wiesbaden gelegene Rheingau mit seinen Hügeln, Weinbergen und weltberühmten Touristenattraktionen ist weit über die Grenzen Hessens hinaus unter Freunden eines guten Tropfens vor allem für seine Riesling-Weine bekannt. Doch die Idylle, die Touristen aus aller Welt in diesem Landstrich suchen, trügt. Auch hier geht das langsame Sterben der Winzerbetriebe unaufhaltsam weiter.

So geben nach Kenndaten des Regierungspräsidiums Darmstadt pro Jahr rund 50 Rheingau-Winzer ihren Betrieb auf. Demnach wurden zum Stichtag 31. Juli 2013 noch 700 Weinbaubetriebe im Rheingau registriert. Ein Jahr zuvor waren es noch 744, davor noch 799. Einen Anteil der betroffenen Weinberge kaufen aufstrebende Winzer mit Betriebsgrößen von 20 bis 30 Hektar. Die Zahl der Weingüter, die mehr als zehn Hektar bewirtschaften, ist von 65 im Jahr 2011 auf 70 im Jahr 2012 gestiegen.

Während in anderen, weniger bekannten Gegenden der Republik durchaus auch etliche Weinberge brachliegen, ist im Rheingau die Nachfrage nach Anbauflächen heute größer als vor 20 Jahren. Grund dafür dürfte der Landhunger der großen Weingüter sein. Als größtes bundesdeutsches Weingut mit 247 Hektar Anbaufläche gelten die landeseigenen Hessischen Staatsweingüter GmbH. Als Nr. 2 rangiert mittlerweile die Familie Lergenmüller aus Hainfeld in der Südpfalz, die 2013 das traditionsreiche Weingut Schloss Reinhartshausen im Rheingau aufkaufte und jetzt insgesamt 186 Hektar bewirtschaftet.

Die starke Position der Hessischen Staatsweingüter GmbH kommt nicht von ungefähr und ist aus der Sicht etlicher kritischer Winzer ein Stein des Anstoßes. Noch unter dem CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch, der 2010 in die Chefetage des damaligen Baukonzerns Bilfinger wechselte, wurde 2008 ein aus Sicht vieler Kritiker überdimensionierter moderner Weinkeller der Staatsweingüter auf dem Steinberg unterhalb des Klosters Eberbach mit einer Jahreskapazität von mindestens 2,8 Millionen Litern in Betrieb genommen. Im Aufsichtsrat der hessischen Staatsweingüter GmbH sind übrigens alle hessischen Landtagsfraktionen bis auf die LINKE vertreten.

Strategie der mit Finanzspritzen des Landes gestärkten Staatsweingüter ist die Ausweitung der Rebflächen. Dafür schließt die GmbH Bewirtschaftungsverträge ab. Insider gehen davon aus, dass das Management des landeseigenen Betriebs die Zielmarke von 400 Hektar Rebfläche anvisiert. Diese Strategie geht zu Lasten anderer Betriebe und Genossenschaften. So liefert seit 2012 gut ein Dutzend Rheingauer Winzer ihre Ernte nicht mehr an die Gebietswinzergenossenschaft Weinland Rheingau eG in Erbach, sondern an die Staatsweingüter. Dazu kommen noch rund 20 Winzer mit insgesamt 20 Hektar Rebfläche, die Bewirtschaftungsverträge mit dem Staatsweingut haben. Damit ist die Gebietswinzergenossenschaft fast schon aus dem Geschäft verdrängt.

Kritische Winzer bemängeln, dass die Landesregierung mit der Geschäftspolitik der Staatsweingüter den Wettbewerb in der Branche verzerre und suchen für ihr Anliegen mit einer Beschwerde die Rückendeckung und Klarstellung durch EU-Behörden. Eine offizielle Antwort aus Brüssel stehe noch aus, so ein Winzer am Wochenende auf nd-Anfrage.

Auf jeden Fall steht das Land mit dem Gebaren eines staatlichen Betriebes hier krass im Widerspruch zur allgemeinen CDU-Forderung nach mehr Privatisierung und Liberalisierung. Der Hunger nach mehr Weinanbaufläche im Rheingau wird weitergehen. Opfer sind nicht nur die kleinen Winzer und Nebenerwerbswinzer, von denen einige in den letzten Jahren dem Vernehmen nach ihr CDU-Parteibuch zurückgegeben haben, sondern vor allem die Verbraucher. Denn das Angebot von preiswerten Rheingauer Wein direkt vom Produzenten wird immer kleiner.

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