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Ein ungeliebtes Jubiläum

Vor 20 Jahren trat Österreich der Europäischen Union bei - aus heutiger Sicht für wenige ein Grund zum Feiern

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.
Am 1. Januar 1995 trat Österreich mit Finnland und Schweden der Europäischen Union bei. Es war die letzte Erweiterungsrunde, die ohne NATO-Mitgliedschaft der Neuankömmlinge möglich war.

Dem Beitritt gingen heftige innenpolitische Kontroversen und eine Volksabstimmung voraus. In allen Parteien galt es, Skeptiker zu beruhigen oder auszuschalten. Die heftigsten Befürworter fanden sich damals - ganz anders als heute - in der national-liberalen FPÖ, während die jungen Grünen - auch hier hat sich die Stimmung total umgedreht - bis knapp vor der Volksabstimmung eifrig gegen die Unionisierung des Landes agitierten. In den Großparteien SPÖ und ÖVP waren es v.a. die Gewerkschaften bzw. die Bauernvertreter, die von Brüssel nichts Gutes erwarteten. Sie sollten Recht behalten, wurden aber im Zuge der Debatte um das Für und Wider innerparteilich an den Rand gedrängt. Die Volksabstimmung vom 12. Juni 1994 ging dann für viele mit einem überraschend klaren Ja für den Beitritt aus. Der vom damaligen Außenminister Alois Mock (ÖVP) an Brüssel übermittelte sogenannte Neutralitätsvorbehalt, nach dem der Status des Landes beibehalten werden sollte, mag mit zur Zweidrittelmehrheit der Befürworter beigetragen haben; eine rein wirtschaftliche Integration ohne militärische Beistandspflicht konnten sich die seit 1955 an die Neutralität gewöhnten Österreicher vorstellen. 66,6 Prozent wünschten sich dementsprechend eine EU-Mitgliedschaft, das Bundesland mit den größten Vorbehalten war Tirol.

Die Bedingungen für eine EU-Mitgliedschaft schienen vergleichsweise günstig: Währungspolitisch war der Schilling bereits seit geraumer Zeit an die starke DM gekoppelt gewesen, vor allem deutsche Unternehmen beherrschten schon lange vor 1995 viele Branchen im Land. Auch der wissenschaftliche und kulturelle Austausch mit den Alt-EU-Staaten konnte sich sehen lassen. Das Jahr 1995 bildete dennoch die stärkste Zäsur seit dem Mai 1955, als im Staatsvertrag der Abzug der vier alliierten Mächte beschlossen und damit die staatliche Souveränität hergestellt wurde. Der Beitritt zur EU markierte u.a. das Ende der österreichischen Außenpolitik, die in den 1970er- und 1980er-Jahren als Brücke und Bindeglied nicht nur zwischen West und Ost, sondern auch zur arabischen Welt allseits geschätzt war. Als Folge der jahrzehntelangen Vermittlerrolle blieb Wien als UNO-Standort erhalten. Die eigenständige internationale Rolle ist seither einer Unterordnung unter Brüsseler Vorgaben gewichen; seit dem EU-Beschluss über eine gemeinsame Militärpolitik 1997 in Amsterdam mit den sogenannten »Petersberger Aufgaben« ist auch die österreichische Neutralität Makulatur.

Wirtschaftlich verflog die EU-Euphorie mit dem Budget 1995. 30 Milliarden Schilling (damals umgerechnet 4,2 Milliarden DM) mussten vom Nettozahler Österreich an Brüssel überwiesen werden. Sparpakete waren die Folge. Soziale Einrichtungen gerieten unter Druck, Kommunen wurden verstärkt zur Kasse gebeten, Einstellungsstopps im öffentlichen Dienst verhängt und der bis dahin in Sachen Reform ungeübte Österreicher erfuhr, dass es so etwas wie »unrentable Spitäler« geben würde.

20 Jahre nach dem EU-Beitritt ist die Stimmung gegenüber Brüssel längst gekippt. Im letzten verfügbaren »Eurobarometer« vom Spätsommer 2014 empfanden nur 31 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher die EU als positiv, 32 Prozent standen ihr neutral gegenüber und 36 Prozent »total negativ«.

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