Totengräber

PERSONALIE

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 2 Min.

Eines muss man Herbert Walter lassen: Mit Pleitebanken kennt er sich aus. Von 2003 bis 2009 war der 61-jährige Manager Vorstandsvorsitzender der Dresdner Bank, bis das Finanzinstitut von der Commerzbank geschluckt wurde. Erst im Mai 2014 übernahm Walter für sechs Monate den Chefsessel im Aufsichtsrat der österreichischen Krisen- und Skandalbank Hypo Alpe Adria.

Nun wartet auf den passionierten Radfahrer ein neuer Job, für den der Bayer alle anderen Chefposten abgibt. Ab kommendem Donnerstag übernimmt Walter von Christopher Pleister die Leitung der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA), die den staatlichen Bankenrettungsfonds Soffin in Frankfurt am Main führt und seit Jahresbeginn auch für die Abwicklung von Pleitebanken zuständig ist.

Die FMSA wurde im Oktober 2008 schleunigst nach dem Ausbruch der Finanzkrise gegründet, um marode Banken zu retten. Auf dem Höhepunkt der Krise stützte sie Geldhäuser mit insgesamt 29,4 Milliarden Euro schweren Kapitalhilfen und übernahm zudem Garantien in Höhe von 168 Milliarden Euro. Vor allem nahm die Commerzbank diese Staatshilfen in Anspruch. Gezwungen zu diesem Schritt war das Kreditinstitut wegen der Übernahme der Dresdner Bank. Im Krisenjahr 2008 machte diese unter der Führung Walters 6,3 Milliarden Euro Verlust.

Das Pikante daran: In jenem Jahr hatten sich die Manager der kriselnden Dresdner Bank 58 Millionen Euro an Gehältern und Abfindungen zugeschanzt, während etwa Commerzbank-Chef Martin Blessing »nur« 500 000 Euro bekam. Da ätzte selbst der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) über Walter und seine Kollegen: »Das sind die Totengräber der sozialen Marktwirtschaft.«

Schlussendlich war der öffentliche Druck auf Walter so groß, dass er auf eine millionenschwere Abfindung verzichtete. Eine weise Entscheidung, denn mittlerweile ist Schäuble Finanzminister. Und vor allem vor ihm muss Walter als neuer Chef der FMSA nun Rechenschaft ablegen.

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