Revolte mit zugenähten Lippen

Verzweifelte Flüchtlinge in australischem Lager suchen Rettung bei der UNO

  • Barbara Barkhausen, Sydney
  • Lesedauer: 3 Min.
In einem australischen Flüchtlingslager auf der Insel Manus ist nach Berichten von Flüchtlingsorganisationen eine Revolte ausgebrochen. Hunderte Insassen befinden sich im Hungerstreik.

Verzweifelte Flüchtlinge machen mit einer Revolte auf ihre Lage aufmerksam. In einem australischen Lager in Papua-Neuguinea befinden sich fast 500 von ihnen im Hungerstreik. Laut einem Bericht der Flüchtlingsorganisation Refugee Action Coalition haben sich 30 bis 40 Menschen auf der Insel Manus ihre Lippen zugenäht. Die Flüchtlinge werden seit Monaten oder Jahren in dem Flüchtlingslager festgehalten und haben keine Aussicht, in Australien angesiedelt zu werden. Sie fordern, den Vereinten Nationen übergeben zu werden.

Die Flüchtlingsorganisation meldet, einige Asylsuchende hätten aus Verzweiflung und Angst sogar versucht, sich ernsthaften Schaden zuzufügen. Vier Pakistaner sollen Waschpulver und zwei iranische Flüchtlinge Rasierklingen geschluckt haben. Sie sollen sich in ärztlicher Behandlung befinden, über ihren Zustand ist nichts bekannt. Die australische Ausgabe des »Guardian«, dessen Journalisten mit mehreren Flüchtlingen in Kontakt stehen, berichtet über eine außer Kontrolle geratene Lage. Etliche Flüchtlinge seien nach mehreren Tagen ohne Essen und Wasser bereits bewusstlos zusammengebrochen. Am Freitag sei es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der lokalen Polizei gekommen.

Im vergangenen Jahr war der Asylsuchende Reza Barati bei einem gewalttätigen Zwischenfall mit Einheimischen der Insel ums Leben gekommen. Weitere 70 Menschen wurden damals zum Teil schwer verletzt. Flüchtlingsorganisationen erhoben schwere Vorwürfe gegen die australische Regierung und sprachen davon, dass die Asylsuchenden bewusst von Einheimischen und der Polizei in Papua-Neuguinea attackiert worden seien. Die Flüchtlinge wären mit Macheten, Messern und anderen Waffen angegriffen worden, und es war von regelrechten »Todesschwadronen« die Rede.

Victoria Martin von der Flüchtlingsorganisation Refugee Rights Action Network nannte den Angriff in einem Interview mit dem »Sydney Morning Herald« ein Massaker: »Es war ein geplanter Angriff auf unbewaffnete und wehrlose Asylsuchende, die dem Krieg entflohen sind und nun wieder in eine Kriegszone zurück geraten.« Die Flüchtlinge fürchten eine Wiederholung der Ausschreitungen und fordern ihre Freilassung.

»Die Einwanderungsbehörde versucht, die Proteste auf Manus Island zu verbergen«, sagt Ian Rintoul, Sprecher der Refugee Action Coalition. »Papua-Neuguinea ist nicht sicher.« In einer Erklärung hätten die Behörden, die mehrere Tage zu den eskalierenden Unruhen schwiegen hatten, diese inzwischen bestätigt. An der Einstellung der Regierung würde sich aber nichts ändern. »Egal wieviel Aufruhr und nicht kooperationsbereites Benehmen - es wird sich nichts an der Tatsache ändern, dass die Asylsuchenden niemals in Australien angesiedelt werden.«

Australien schiebt seit Juli 2013 jeden, der per Boot ankommt, in Lager in Papua-Neuguinea oder in den Pazifikstaat Nauru ab. Die Lager sind vom Rest der Bevölkerung abgeschottete, gefängnisähnliche Baracken. Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) kritisierte bereits die Bedingungen in den Flüchtlingslagern. Journalisten wird ein Zutritt verwehrt.

200 prominente Ärzte, Rechtsanwälte, Akademiker und Flüchtlingsvertretern hatten 2014 die australische Regierung angeklagt, »vorsätzlich und absichtlich« den Flüchtlingen zu schaden.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal