Cortisol gegen Stress

Von Iris Rapoport , Boston und Berlin

  • Iris Rapoport
  • Lesedauer: 3 Min.

Hektik, Überforderung, quälende Gedanken - irgendwann erlebt das wohl jeder. Stress zu bewältigen erfordert gebündelte Energie. Es ist das Cortisol, das in solchen Situationen aus dem Kanon aller Hormone hervortritt und unseren Stoffwechsel und selbst unser Verhalten dominiert.

Doch für gewöhnlich wird Cortisol ganz regelmäßig als lebensnotwendiges Hormon in einem 24-Stunden-Rhytmus gebildet. Während des Morgenschlafes regt das Gehirn die Hypophyse an, ACTH (adrenocorticotropes Hormon) über das Blut an die Nebennierenrinden zu senden. Die beginnen daraufhin unverzüglich, aus Cholesterin Cortisol zu bilden und es ins Blut zu bringen.

Entsprechend ist die Cortisolkonzentration im Blut am Morgen am höchsten und sinkt, trotz mehrfacher weiterer Ausschüttungen, bis Mitternacht auf ein Minimum. Es wird vermutet, dass uns dieser Prozess beim Erwachen eine hohe Leistungsfähigkeit sichert, denn das Hormon bewirkt vor allem einen Zufluss von Glucose ins Blut und stellt damit den Energielieferanten für Hirn und Muskeln bereit.

Wie wirkt Cortisol im Körper? Es wandert aus dem Blut in die Zellen und verbindet sich dort mit einem Rezeptor. Dieser Komplex lagert sich im Zellkern an die Erbsubstanz, die DNA, an. Auf diese Weise werden unterschiedlichste Gene aktiviert und so neue Proteine, darunter viele Enzyme, gebildet. Dazu gehören vor allem solche für die Glucoseneubildung, aber auch solche für den Protein- und Fettabbau. Da die Zellen vieler Organe Cortisolrezeptoren besitzen, kann das Hormon vielfältigste Wirkungen entfalten. So unterdrückt es auch immunologische und entzündliche Vorgänge im Körper.

Was ändert sich, wenn in uns Stressalarmglocken schellen? Jegliche psychische und physische Belastung signalisiert im Gehirn einen zusätzlichen Energiebedarf. Dieser Alarm führt letztlich stets zu ACTH-Ausschüttung und folglich zu Cortisolbildung. Bei Stress ist somit der Cortisolspiegel ganz unabhängig von der Tageszeit deutlich erhöht. Die Folgen: Der Blutzucker steigt an. Aminosäuren, geliefert von Muskeleiweißen, werden dazu in Glucose umgewandelt, die benötigte Energie liefern die Fette.

Cortisol übernimmt so bei andauerndem Stress die Wirkung des Adrenalins und garantiert auf niedrigerem Niveau, dafür aber ausdauernd, dem Stress zu widerstehen. Gleichzeitig sorgt eine Rückkopplung durch das Hormon im Gehirn dafür, dass die ACTH-Bildung gestoppt wird und die Konzentration des Cortisols nicht ins Unermessliche steigt.

Allerdings gibt es dabei zwei unterschiedliche Gruppen von Menschen. Bei der einen tritt bei lang andauerndem Stress eine Gewöhnung ein und die Cortisolwerte sinken. Bei der anderen zeigen sich gleichbleibend hohe Werte. Letzteres schadet der Gesundheit, denn das kann der Körper auf Dauer nicht kompensieren. Es drohen Schlafstörungen, erhöhte Infektanfälligkeit oder gar ein erhöhtes Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Und in diesem Falle kann Cortisol tatsächlich vom Antistresshormon zum Stresshormon werden.

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