Chaos bei der Studienplatzvergabe

Bildungsrauschen

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch dieses Semester sehen sich Hochschulen mit dem Vorwurf konfrontiert, dass die Studienplatzvergabe zum Teil chaotisch verläuft. Einerseits sind aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach Studienplätzen insbesondere für zulassungsbeschränkte Studienangebote Hörsäle überfüllt, andererseits blieben zu Beginn des laufenden Semesters bundesweit rund 7500 Studienplätze an Universitäten und knapp 900 an Fachhochschulen unbesetzt. Ursache sei, dass sich Studierende gleichzeitig an mehreren Hochschulen bewerben, aber den nicht in Anspruch genommenen Studienplatz nicht absagen. Bemängelt wird, dass ein zentrales Vergabesystem zwar seit Jahren in Planung, aber «noch nicht funktionsfähig» sei.

Als eine Art zentrales Vergabesystem fungierte jahrzehntelang die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS). Sie war eine Stiftung öffentlichen Rechts, die die Vergabe zulassungsbeschränkter Fächer zentral steuerte. 2008 wurde die ZVS auf Druck der Hochschulen abgeschafft. Mit deren Überführung in die Stiftung für Hochschulzulassung (SfH) wurde diese Steuerung durch eine Art Angebot- und Nachfragesystem ersetzt. Alle freien Studienplätze sollten von den Hochschulen bei der SfH gemeldet werden, so dass alle Bewerber auf alle Plätze einen zentralen Zugriff bekämen. Für die zulassungsbeschränkten Plätze wurde eigens das Dialogorientierte Serviceverfahren (DoSV) entwickelt.

Laut spiegel.de ging die Rechnung insbesondere bei den Fächern mit Zulassungsbeschränkung kaum auf. «Von den 4000 örtlich zulassungsbeschränkten Studienangeboten lief lediglich für 289 die Bewerbung über das DoSV. So kann es passieren, dass man sich etwa für Kunstgeschichte mal an der Uni direkt und mal zentral bei der Stiftung Hochschulstart bewirbt. Das heißt allerdings auch: Bekommt ein Bewerber eine Zusage von einer Hochschule, die nicht am Verfahren beteiligt ist, erfährt die Stiftung davon nichts. Sie vergibt unter Umständen einen Studienplatz an jemanden, der ihn gar nicht mehr braucht.»

Der User munko kommentierte: «Die eigentliche Frage lautet doch, warum wurde die ZVS abgeschafft? Genau das war doch die zentrale Vergabestelle die sich die Politik wünschte. Und vor allem funktionierte sie, anstatt seit fünf Jahren herum zu krebsen.» Worauf plietsch antwortete: «Ja, hat funktioniert, aber schlecht, weil manche im Zweifel das Studium gar nicht antraten, da sie ans andere Ende der Republik geschickt wurden und es sich nicht leisten konnten, in einer Stadt zu studieren, wo es kaum Arbeitsplätze gibt und sie nicht Bafög bekamen.»

Der Generalsekretär des Studentenwerks, Achim Meyer auf der Heyde, kritisierte in seinem Interview auf deutschlandradiokultur.de die fehlende Bereitschaft der Hochschulen. Er fände es «sinnvoll, wenn alle Hochschulen sich beteiligten, dann »könnten freie Studienplätze auch zeitnah besetzt werden«. Sollten sich die Hochschulen nicht bewegen, sollten die Länder sie dazu »verpflichten«. Da sie damals die »wohl doch ganz gut funktionierende« ZVS abgeschafft hätten, würden die Hochschulen dann allerdings einen Fehler eingestehen. Lena Tietgen

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