Kriegsgebiet Fußballstadion

Ausschreitungen und ein gewaltsamer Polizeieinsatz überschatten die Afrikameisterschaft der Fußballer

Wurfgeschosse, blutende Fans und ein Polizeihubschrauber wie im Kampfgebiet. Der Afrika-Cup in Äquatorialguinea hat seinen nächsten Skandal.

Erst fliegen Plastikflaschen, danach Feuerwerksraketen. Schließlich Steine, Porzellanteller und zerbrochene Spiegel. Dass die Aggressionen während des Halbfinalspiels beim Afrika-Cup zwischen Gastgeber Äquatorialguinea und Ghana (0:3) zunächst von enttäuschten Heimfans ausgeht, muss erwähnt werden. Doch erst der brutale Einsatz der Polizei macht aus dem Stadion ein »Kriegsgebiet«, wie es Vertreter von Ghanas Fußballverband später beschreiben werden: Tränengas, Gummiknüppel und sogar ein tieffliegender Hubschrauber im Stadion. Die von Anfang an unter keinem guten Stern stehende Afrikameisterschaft versinkt endgültig im Chaos.

Ghanas André Ayew hat gerade in der 75. Minute das Spiel mit seinem Tor zum 3:0 entschieden, da fliegen die ersten Gegenstände in den Block der Fans aus Ghana. Die flüchten daraufhin in den Innenraum, hinter das Tor, in das Ayew gerade getroffen hat. Unter ihnen ist Piers Edwards, Journalist in Diensten von BBC und CNN. Er twittert Bilder von blutigen Werbebanden und anderen scharfkantigen Gegenständen. Einen Fan fragt er später, ob er auch zum Finale fahren wird. »Wir verlassen dieses Land noch heute Nacht und kommen nie wieder«, antwortet der. Fußball interessiert beim Afrika-Cup 2015 kaum noch jemanden.

Ursprünglich hätte das Turnier gar nicht im diktatorisch geführten Staat an Afrikas Westküste stattfinden sollen, sondern in Marokko. Als sich die Nordafrikaner wegen der auf dem Kontinent grassierenden Ebola-Epidemie weigerten, das Turnier im Januar auszurichten, entzog ihnen die Kontinentalföderation CAF die Meisterschaft gleich komplett. Auf die Schnelle sprang nur Äquatorialguinea ein. Ein Sicherheitskonzept gab es offenbar nicht, sonst wäre es wohl kaum zu solchen Szenen wie am Donnerstagabend in der Hauptstadt Malabo gekommen. Nun rächt sich, dass der CAF offenbar egal war, den Africa-Cup in die Hände von Präsident Teodoro Obiang Nguema Mbasogo zu legen, der sein Land seit 1979 autoritär regiert. Schon viele Jahre lang rangiert das Land unter den 20 korruptesten der Welt.

Äquatorialguinea war zudem von diesen Titelkämpfen ausgeschlossen worden, nachdem nicht spielberechtigte Fußballer in der Qualifikation eingesetzt worden waren. Als neuer Gastgeber durften sie nun selbstredend doch wieder mitspielen und verglichen sich sodann mit den Dänen, die 1992 aus dem Urlaub heraus die EM gewannen. Die hatten das allerdings ohne die Hilfe der Schiedsrichter geschafft. Die Gastgeber des Afrika-Cups benötigten hingegen eine Schwalbe und einen netten Pfiff in der Nachspielzeit, um Tunesien im Viertelfinale nach Verlängerung zu besiegen. Der Unparteiische Seechurn Rajindrapasard wurde inzwischen für sechs Monate gesperrt.

Dieser Afrika-Cup 2015 war also schon vor dem Halbfinale am Donnerstag reich an Skandalen, doch die Jagdbilder im Stadion von Malabo setzen dem Ganzen die unrühmliche Krone auf. Der kamerunische CAF-Präsident Issa Hayatou sieht sich großer Kritik ausgesetzt, was die 17 Exekutivmitglieder offenbar dazu bewegt, am Freitag ein Schriftstück zu veröffentlichen, in dem sie Hayatou ihre bedingungslose Unterstützung zusichern. Nur ihm und seinen »zwischenmenschlichen Fähigkeiten« sei es zu verdanken, dass der 30. Afrika-Cup überhaupt noch ausgetragen werden konnte. Die Kritik am Präsidenten sei lediglich getrieben von einer »Medienkampagne voller Vorurteile« von jenen, die Hayatou als »Sündenbock verunglimpfen, um das eigene Gewissen zu erleichtern.«

36 Verletzte zählt die CAF im Stadion, 14 von ihnen werden ins Krankenhaus gebracht. Wie viele Ghanaer außerhalb der Arena - dort, wo keine Kameras mehr filmen - zu Schaden kommen, wird nicht bekanntgegeben. Überprüfbar wären die Daten ohnehin nicht. Journalisten bewegen sich hier nicht frei. »Ihr könnt jetzt nach Hause, aber macht keine Bilder«, empfiehlt Piers Edwards seinen noch im Stadion wartenden Kollegen eine Stunde nach dem Spiel.

Die CAF verdonnert Äquatorialguinea am Freitag dazu, die Kosten für die Behandlung der Verletzten zu tragen. Zudem wird eine Strafe von 100 000 US-Dollar fällig. Auch ein Spiel ohne Zuschauer wird verhängt, das aber nur auf Bewährung, schließlich will die CAF ja das Spiel um Platz drei nicht vor leeren Rängen abhalten. Das Bild vom korrupten Verband bestätigt sich so sogar, wenn er Strafen ausspricht.

Afrika-Analyst Colin Udoh vom US-Fernsehsender ESPN schreibt wenige Stunden nach den Vorfällen zunächst nur zwei Sätze, die ihm jedoch sehr wichtig zu sein scheinen: »Liebe Welt, so verhält sich Afrika nicht bei großen Turnieren. Das ist nur Äquatorialguinea.« Dass die Welt auf Dauer wirklich diese Unterscheidung macht, ist dem Rest des Kontinents nur zu wünschen.

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