Die Furcht vor einem »Grexit«

Ein Euro-Austritt würde Griechenland hart treffen - bestenfalls einige Exporteure könnten sich Hoffnungen machen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Was passiert, wenn die Euro-Rettung schief geht und Griechenland wieder die Drachme einführen würde? Dies hat die Commerzbank in einer Studie untersucht.

Er wolle keinen »Grexit«, bekräftigte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vor dem Treffen mit seinen Euro-Amtskollegen am Montag in Brüssel. Doch um diesen zu verhindern, müsse Athen einiger Bedingungen erfüllen.

Wie schlimm wäre ein »Grexit« für Griechenland und seine Regierung? Ein Zwang zum Ausstieg aus dem Euro dürfte wie folgt entstehen: Die griechischen Banken können sich jetzt schon nicht mehr die dringend benötigte Liquidität bei der Europäischen Zentralbank (EZB) beschaffen, denn ein Großteil der Sicherheiten der griechischen Banken besteht aus »bonitätsschwachen«, also riskanten griechischen Wertpapieren und aus staatlich garantierten Bankanleihen. Doch die akzeptiert die EZB seit ihrem jüngsten Kurswechsel nicht mehr. Stattdessen bekommen die griechischen Banken frisches Geld fast nur noch über sogenannte ELA-Kredite der griechischen Notenbank. Diese darf solche Notkredite für einen längeren Zeitraum nur gewähren, wenn die Zahlungsfähigkeit des griechischen Staates gesichert ist. Einigt sich Griechenland in den kommenden Wochen nicht mit seinen Geldgebern und ginge dem Land etwa im März oder April das Geld aus, ist es möglich, dass die EZB erst droht und anschließend den Geldhahn tatsächlich zudreht. Um Gehälter, Pensionen und andere Staatsausgaben zu zahlen, bliebe der Regierung Tsipras »wohl nur noch der Ausstieg aus der Währungsunion«, spielt Commerzbank-Volkswirt Christoph Weil den »Grexit« durch. Notwendig wäre dann die Einführung einer eigenen Währung, der »neuen Drachme«. Eine dann wieder unabhängige Notenbank in Athen könnte die griechischen Banken wieder mit Liquidität versorgen. Wahrscheinlich müsste sie auch den Staat finanzieren.

Angesichts solcher Aussichten dürfte das Vertrauen der Griechen in eine neue Währung minimal ausfallen. Deshalb müsste die Regierung in Athen als erste Maßnahme voraussichtlich die Banken schließen, die Geldautomaten vorübergehend stilllegen und scharfe Kapitalverkehrskontrollen einführen, um eine weitere Kapitalflucht ins Ausland zu verhindern. Mit diesen Maßnahmen würde die griechische Regierung Zeit gewinnen, um die Währungsreform zu organisieren.

Griechenlands Wirtschaft dürfte dadurch weiter schrumpfen. Die Commerzbank erwartet auf Jahressicht einen Rückgang des realen Bruttoinlandsproduktes (BIP) von bis zu zehn Prozent. Die absehbare Abwertung der Drachme würde die Importe massiv verteuern; Unternehmen mit Auslandsschulden in Euro drohte die Pleite. Auf längere Sicht, so hoffen die Bankanalysten, könnte das Land von der Drachme aber auch profitieren, weil es »preislich« wieder wettbewerbsfähiger wäre. Doch dies würde der Wirtschaft wenig helfen - Griechenland hat mit zwölf Prozent den zweitniedrigsten Exportanteil am Bruttoinlandsprodukt in der EU. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 43 Prozent.

Zudem bliebe der Grund für den »Grexit« erhalten: die hohen Schulden des Staates und des privaten Sektors. Die schwache Drachme würde die Überschuldung »dramatisch« verschärfen, befürchtet Weil. Die Schulden müssten teilweise von der Troika gestrichen oder - was dem gleich kommt - teilweise auf die neue weiche Währung umgestellt werden.

Ein »Grexit« würde die internationalen Finanzmärkte wohl durchschütteln. Für Griechenland wären die Folgen weit schlimmer. Es könnte sogar noch viel dramatischer werden, wenn der soziale Frieden nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Was durchaus nicht unmöglich ist.

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