Ein Anwalt der Armen

Biografie erinnert an den Sozialdemokraten Ludwig Pappenheim / Buchvorstellung in der Hessischen Landesvertretung

  • Elke Koepping
  • Lesedauer: 4 Min.

Pappenheim ist eine Kleinstadt in Mittelfranken, ganz in der Nähe von Nürnberg - ganze 45 Jahre lang gab es jedoch einen weiteren Ort, der diesen Namen trug: das am südwestlichen Rand des Thüringer Waldes gelegene Kleinschmalkalden, seit 2006 Teil der Gemeinde Floh-Seligenthal. Seit der Wende trägt das Städtchen wieder seinen historischen Namen. Über Jahrhunderte war Kleinschmalkalden in einen thüringischen und einen hessischen Verwaltungsbereich geteilt - als historische Absurdität muss wohl gelten, dass die beiden Ortsbereiche mit der Teilung Deutschlands 1945 gewissermaßen wiedervereinigt wurden. Zu diesem Zeitpunkt erfolgte auch die Umbenennung in »Pappenheim«, im Gedenken an jenen dort nachhaltig wirkenden und unbeugsam für Demokratie und Menschenrechte eintretenden Lokalpolitiker Ludwig Pappenheim, der zu den ersten Opfern der NS-Diktatur gehörte.

York-Egbert König, Mitarbeiter im Stadtarchiv in Pappenheims nordhessischer Geburtsstadt Eschwege und Verfasser zahlreicher Bücher zur Lokalgeschichte, hat gemeinsam mit weiteren Autoren dessen Biografie recherchiert und in ein Buch übersetzt, das am 25. Februar in der hessischen Landesvertretung in Berlin vorgestellt wird: »Ludwig Pappenheim. Redakteur - Sozialdemokrat - Menschenfreund«. Für ihn hat der Politiker Pappenheim bis heute Vorbildfunktion. »Er trat radikal für die Gleichheit der Menschen ein«, sagt König, »gepaart mit einer Unbeugsamkeit gegenüber den Mächtigen. Er war ein herausragender Vertreter von Zivilcourage und Solidarität.« König, der sich auch im Jahr 2011 für die Verlegung eines Stolpersteins vor dem ehemaligen Elternhaus Pappenheims in Eschwege einsetzte, faszinierte die Vielzahl an Spuren, die Pappenheim aufgrund seiner politischen und journalistischen Arbeit in der Lokalgeschichte hinterlassen hatte. »Von anderen Kommunalpolitikern aus der Zeit weiß man längst nicht so viel.«

Ludwig Pappenheim wurde am 17. März 1887 in eine jüdische Kaufmannsfamilie hineingeboren. Er absolvierte eine Kaufmannslehre und war bis zum Jahr 1913 im Geschäft seines Vaters tätig. Noch während seiner Lehrzeit, symbolträchtig am 1. Mai des Jahres 1905, trat er der SPD bei und wurde mit der Reorganisation der Parteiarbeit im damals noch hessischen Schmalkalden betraut. Aus seiner Teilhabe am Kriegsgeschehen in den Jahren 1915-1917 ging er als entschiedener Pazifist hervor. An der Front verfasste er mit anderen Kameraden zahlreiche Flugblätter gegen den Krieg. Diese politische Agitationsarbeit setzte er ab 1919 in Schmalkalden als Redakteur der sozialdemokratischen Tageszeitung »Volksstimme« fort.

Im kommenden Jahrzehnt seiner lokalpolitischen Aktivitäten setzte er sich für zahlreiche Projekte zum Wohl der Gemeinschaft ein: ein Schwimmbad wurde gebaut, hunderte von Wohnungen für Bedürftige im Rahmen eines genossenschaftlichen Wohnungsbauprogramms. Liebevoll nannte ihn der Volksmund »Lupa« - er galt als »Anwalt der Armen«. Besonders am Herzen lagen ihm die Volksgesundheit und die Jugendarbeit: Er nahm gerne an Treffen der Sozialistischen Arbeiterjugend teil und initiierte gemeinsame Wanderungen und Ausflüge.

Pappenheim befand sich wegen seiner politischen Ideale Zeit seines Lebens mit einem Bein im Gefängnis: Während des Ersten Weltkrieges erwartete ihn wegen seiner kritischen Haltung gegenüber sozialer Ungleichbehandlung unter den Soldaten ein Feldgerichtsverfahren. Am 25. März 1933 schließlich wurde der erklärte Kriegsgegner aufgrund einer anonymen Denunziation wegen des vermeintlichen Besitzes eines Waffenlagers (zu Unrecht) verhaftet und im Januar 1934 im Konzentrationslager Neusustrum im Emsland »auf der Flucht« erschossen.

Pappenheims Inhaftierung war Teil der NSDAP-Strategie zur Eliminierung der politisch unliebsamen Opposition - vor allem jener aus dem kommunistischen Lager. Sein geistiges Erbe bestand jedoch innerhalb der Familie fort: als vehementer Verfechter der Gleichberechtigung teilte er sich mit seiner Ehefrau Frieda die Erziehung der Kinder wie auch die politische Arbeit. Nach dem Krieg blieb Frieda Pappenheim gemeinsam mit ihren Söhnen Günter und Kurt auf lokalpolitischer Ebene ebenso aktiv wie ihr verstorbener Mann es gewesen war.

»Ein Abend für Ludwig Pappenheim.«, Buchvorstellung in Anwesenheit der Autoren. 25. Februar 2015, 18.30 Uhr, Hessische Landesvertretung, In den Ministergärten 5, 10117 Berlin. Es wird um Anmeldung gebeten: veranstaltungen@lv.hessen.de York-Egbert König, Dietfrid Krause-Vilmar, Ute Simon: Ludwig Pappenheim. Redakteur - Sozialdemokrat - Menschenfreund, Reihe: Jüdische Miniaturen, Bd. 140, hg. v. Hermann Simon, Berlin (Hentrich & Hentrich Verlag) 2014, 1. Aufl., 98 S., 9,90 Euro.

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