Diesmal ohne den Propheten

Nach sechswöchiger Pause erscheint »Charlie Hebdo« wieder

  • Lesedauer: 3 Min.

Das französische Satiremagazin »Charlie Hebdo« ist nach einer Pause von eineinhalb Monaten mit einer neuen Ausgabe wieder im Verkauf. Genau sieben Wochen nach dem islamistischen Terroranschlag auf die Redaktion mit zwölf Toten lag das frisch gedruckte Heft am Mittwochmorgen an den Kiosken aus. Geplant ist eine Auflage von 2,5 Millionen Exemplaren, vor dem Anschlag waren es 60 000. Ein erstes Heft war sieben Tage nach dem Attentat vom 7. Januar mit einer Auflage von fast acht Millionen Exemplaren erschienen.

Vom neuen Heft wurden am Mittwoch 15 000 Exemplare in die Regionen Rhein/Main, Stuttgart, Köln, Düsseldorf und Hamburg geliefert. Dieselbe Menge ist für Samstag in den anderen Teilen des Landes vorgesehen. In Deutschland soll das Heft mit vier Euro einen Euro teurer sein als in Frankreich.

Die neue Titelseite unter dem Motto »Es geht wieder los« zeigt eine Karikatur mit einer Meute von Hunden in Gestalt der Chefin der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, des Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy, eines bewaffneten Islamisten und Papst Franziskus. Diese Meute hetzt einen kleinen Köter, der mit einem »Charlie Hebdo«-Exemplar im Maul davonjagt. Auf 16 Seiten befasst sich die Redaktion in Texten und Karikaturen intensiv mit dem Terroranschlag. Aber auch die Schändung eines jüdischen Friedhofs, die griechische Finanzlage oder die Grippewelle in Frankreich sind Themen der Ausgabe.

Künftig will das Magazin wieder im Wochenrhythmus erscheinen. Nach Verlagsangaben wurden in den letzten Wochen 200 000 neue Abonnenten hinzugewonnen; vor dem Attentat Anfang Januar betrug die Abonnentenzahl lediglich 24 000; verkauft wurden rund 60 000 Exemplare.

Laut einem Bericht der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« (FAZ) fällt es dem neuen Chefredakteur von »Charlie Hebdo«, Laurent Sourisseau (»Riss«), zunehmend schwer, neue Zeichner und Texter für das Satiremagazin zu gewinnen. Als Grund dafür nennt er gegenüber der FAZ einerseits die Angst vieler Kollegen, Opfer eines neuen Anschlags zu werden, andererseits würden sich aber viele junge Talente lieber dem florierenden Geschäft der Comics zuwenden; die traditionsreiche französische Gattung der Pressezeichnung sei überdies weitgehend der Zeitungskrise der letzten Jahre zum Opfer gefallen. »Karikaturen leisten sich nur noch wenige Zeitungen«, so Sourisseau gegenüber der FAZ.

Mittlerweile mehren sich in Frankreich die kritischen Stimmen gegenüber den Mohammed-Karikaturen. Der französische Soziologe Emmanuel Todd bezeichnet die Porträts des muslimischen Propheten als »obszön«. Die Karikaturen seien »eine Demütigung der Schwächsten in unserer Gesellschaft«. Als Nachweis für Meinungsfreiheit und Zivilcourage taugten sie allenfalls für die Eliten.

Wie die FAZ weiter berichtet, ist offenbar auch ein Streit um die Verwendung der durch die Millionen-Auflage erzielten Erlöse ausgebrochen. Die Spenden sollen den Hinterbliebenen der bei den Anschlägen getöteten Mitarbeiter des Satiremagazins zugutekommen. Sourisseau will zudem eine Stiftung gründen, mit deren Mitteln verfolgten Karikaturisten geholfen werden soll.

Die Erlöse aus dem Verkauf der Millionen-Auflagen bleiben jedoch innerhalb der Zeitschrift. Das wecke Begehrlichkeiten, meint die FAZ mit Hinweis auf den Kolumnisten des Magazins, Patrick Pelloux. Laut Pelloux hat sich der frühere Herausgeber von »Chalie Hebdo«, Philippe Val, der 2009 vom damaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zum Chef der nationalen Rundfunksender ernannt wurde, in den vergangenen Wochen als Retter des Magazins aufgedrängt. Val soll 2008 die knapp eine Million Euro, die eine Solidaritätsausgabe eingebracht hatte, mit dem beim Anschlag am 7. Januar getöteten Zeichner Jean Cabut (»Cabu«)und zwei weiteren Aktionären unter sich aufgeteilt haben. Agenturen/jam

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