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Ein widerspruchsvolles Leben in den Konflikten des 20. Jahrhunderts
Trudla Malinkowa hat eine einfühlsame Biografie über die sorbische Pädagogin Marja Kubašec verfasst
In ihrem Vorwort kündigt Trudla Malinkowa an, über die Handlungen ihrer Protagonistin nicht urteilen zu wollen. Das konnte sie nicht einhalten. Wertfreie Darstellung historischer Geschehnisse gleicht der Quadratur des Kreises. In dieser Biografie wird die innere Zerrissenheit einer Sorbin in den Brüchen des 20. Jahrhunderts sichtbar.
Marja Kubašec wird am 7. März 1890 im Kaiserreich als Tochter einer sorbisch-katholischen Familie in Quoos, einem Dorf nahe Bautzen geboren. Ihre erste Stelle als Lehrerin tritt sie in Duisburg an; hier lernt sie soziale Nöte, vor allem polnischer Arbeiterfamilien, kennen. 21-jährig wird sie im sorbischen Crostwitz als erste Frau Mitglied der Freien Vereinigung katholischer Lehrer. Sie muss sich gegen maskuline Vorurteile der Großbauern durchsetzen. Ihr Verzicht auf den üblichen Rohrstock weckt Neugier und befördert die Lernfreude der Schüler. Sie verfasst Theaterstücke in sorbischer Sprache und arbeitet bei der Schadźowanka, dem jährlichen sorbischen Studententreff mit. Im Krieg 1914/18 beklagt sie den Verfall jeglicher Moral und leidet darunter, dass sorbische Vereine, Zeitungen und Theater verstummen. Als 1917 Russland von einer Revolution erfasst wird, schreibt sie: »Kein Gedanke daran, dass auch bei uns eine Revolution ausbrechen könnte. Kaiser Wilhelm absetzen? Wer würde das tun?« Sie irrt, im November des Jahres darauf, wird auch Deutschland von einer Revolution erschüttert. Unter den Sorben brechen nun heftige Diskussionen aus: Während die einen die Lausitz von Deutschland abtrennen wollen, vereinen sich andere als »Sachsentreue Wenden«. Die Spaltung erfasst auch die sorbische Lehrerschaft, ihr Streit endet im April 1920. Sie gründen einen Verband sorbischer Lehrer beider christlicher Konfessionen. Marja K. konstatiert: »Schließlich konnten das gemeinsame sorbische Blut und die Liebe zum sorbischen Volk alle Zwietracht überwinden.« Als Streitpunkt bleibt die in der Weimarer Verfassung fixierte Trennung von Kirche und Schule.
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* Trudla Malinkowa: Marja Kubašec – Maria Kubasch. Ein Lebensbild.
Domowina. 320 S., geb., 16,90 €.
1933 meint Marja K., Hitler sei auf legalem Wege zur Macht gekommen, »wir konnten die Machtergreifung nicht ungeschehen machen«. Sie tritt der NSDAP, dem NS-Lehrerbund und der NS-Frauenschaft bei. Vom Reichsparteitag in Nürnberg 1935 kehrt sie jedoch nachdenklich zurück, die Judenhetze stößt sie ab. Nachdem die Nazis die Domowina verboten haben, kann sie das NS-System nicht mehr unterstützen. Anfang 1939 wird sie entlassen, findet aber später eine neue Stelle, da viele junge Lehrer in die Wehrmacht eingezogen werden. Das Leid der Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter erschüttert sie.
Nach Kriegsende darf sie als ehemaliges NSDAP-Mitglied nicht mehr unterrichten. Wieder entflammt Streit unter den Sorben: Die einen wollen sich der Tschechoslowakei anschließen, andere sehen ihre Zukunft in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Anfang Februar 1946 notiert Marja K.: »Wir wollen in Frieden mit unseren deutschen Brüdern leben, aber nicht mehr in ihrer Knechtschaft, sondern frei und gleichberechtigt in jeder Beziehung in unserer gemeinsamen Heimat, der Lausitz.« Ausführlich schildert Trudla Malinkowa die Freude der Marja K. über den Aufschwung sorbischen Lebens in der DDR. Sie arbeitet engagiert am Sorbischen Institut für Lehrerbildung, publiziert Erzählungen, Gedichte, Theaterstücke, Aufsätze über Persönlichkeiten der sorbischen Geschichte, übersetzt Werke von Puschkin, Turgenjew und Gorki ins Sorbische und gibt eine Zeitschrift heraus. 1960 erscheint die Biografie von Marja Grólmusec, die im KZ Ravensbrück umkam.
In den 1960er Jahren zieht sich Marja K. aus dem öffentlichen Leben zurück. Auch aus Enttäuschung darüber, dass der Sorbischunterricht reduziert wird. Deutliche Kritik ist jedoch auch jetzt ihre Sache nicht. Als hoch geachtete Persönlichkeit stirbt sie am 13. April 1976 in Radibor.
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