Handwerk sucht Häuptlinge und Flüchtlinge

Betriebe suchen dringend Nachwuchs - und bemühen sich insbesondere um Abiturienten und Asylbewerber. Gabriel befürwortet Bleiberecht

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München. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat sich für ein Bleiberecht für Flüchtlinge ausgesprochen, die eine Ausbildung in einem deutschen Handwerksbetrieb abschließen. Es mache keinen Sinn, die jungen Leute gut auszubilden und dann nach Hause zu schicken, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch bei der Eröffnung der Internationalen Handwerksmesse in München und stellte sich damit hinter eine Forderung des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks.

»Wir sollten denen sagen: Wenn ihr das gut macht, könnt ihr hierbleiben«, betonte Gabriel. Wichtig sei zugleich aber auch, junge Leute in Deutschland besser zu unterstützen, denen der Einstieg in das Berufsleben nicht gelingt, erklärte der Minister.

Viele Betriebe würden nach Angaben des Handwerksverbandes (ZDH) gerne Flüchtlinge als Lehrlinge einstellen, schreckten mangels Planungssicherheit aber davor zurück. Die derzeitige Rechtslage ist vielen Firmen zu ungewiss, da sie nicht wissen, ob und wie lange die Flüchtlinge in Deutschland bleiben dürfen. Zuletzt hatte auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag einen Abschiebestopp für Lehrlinge gefordert.

Die SPD plädiert bereits seit längerem dafür, auch Flüchtlingen den Weg auf den Arbeitsmarkt zu öffnen, konnte sich in der Frage bislang aber nicht mit der CDU und der CSU auf eine Lösung einigen.

Die Suche nach Auszubildenden gehört zu den größten Problemen des Handwerks. Im vergangenen Jahr konnten 20 000 Lehrstellen nicht besetzt werden. Ein Grund dafür ist neben einer geringeren Zahl der Schulabgänger auch der Trend zur Akademisierung: Erstmals entschieden sich nach Angaben des ZDH in diesem Ausbildungsjahr mehr Schulabgänger für ein Studium als für eine Ausbildung. Gabriel warnte vor den Konsequenzen dieser Entwicklung. Das duale Ausbildungssystem sei existenziell für Deutschland und ein Aushängeschild, um das die ganze Welt das Land beneide. »Wir müssen alles dafür tun, dass das wieder in den Blick der jungen Leute kommt.«

Rund die Hälfte der Auszubildenden im Handwerk hat einen Hauptschulabschluss, ein Drittel einen Realschulabschluss. Chancen gibt es nach Worten von ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer aber auch für Abiturienten. »Wir brauchen die Häuptlinge und die Indianer.« Die Nachwuchssorgen dürften an diesem Freitag auch Thema bei einem Spitzengespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf der Messe in der bayerischen Landeshauptstadt sein.

Von der Vielseitigkeit der Ausbildungsberufe im Handwerk können sich die Besucher auf der Handwerksmesse überzeugen, die mit rund 1000 Ausstellern die wichtigste Leistungsschau der Branche ist. Zu den Neuheiten auf der Messe gehören unter anderem eine Absturzsicherung für Klettertürme, die ein Zimmerer aus dem oberbayerischen Lenggries vorstellt, oder ein Sprachsteuerungssystem für Autos, mit dem Blinker, Hupe oder Scheibenwischer per Sprachbefehl gesteuert werden können. Ein Hörgeräte-Akustiker aus Dresden zeigt auf der Messe Hörgeräte, die in Ohrringen versteckt sind. Ein Schreiner aus dem Chiemgau hat aus Baumstämmen glatt geschliffene Holzkugeln geformt, die er an seinem Ausstellungsstand zeigt.

Die Auftragslage der Handwerksbetriebe bleibt günstig, weil viele Verbraucher ihr Geld wegen der Mini-Zinsen lieber in ihr Zuhause investieren als es zur Bank zu bringen. Nach einem Umsatzplus von zwei Prozent im vergangenen Jahr erwartet die Branche dieses Jahr 1,5 Prozent mehr Umsatz. dpa/nd

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