Der Gast aus Athen

Steht Griechenlands Notenbankchef Giannis Stournaras für das Alte oder das Neue? Von John Malamatinas

  • John Malamatinas
  • Lesedauer: 4 Min.

Der erste Flieger aus Athen ist in Frankfurt gelandet. Ein mittelgroßer Mann, strenges Gesicht, dünne dunkle Haare steht am Gepäckband: Giannis Stournaras, Ex-Finanzminister Griechenlands und aktuell Chef der griechischen Notenbank. Er vertreibt sich die Wartezeit, starrt auf die stummen Bildschirme, auf denen Nachrichten laufen. Ein Beitrag zeigt eine Menge, die an einem Zaun steht. Hinterm Zaun Polizeikräfte und Wasserwerfer. Ein Transparent mit der Aufschrift »Unsere Zeit zu handeln ist gekommen« rückt ins Bild, daneben eine griechische Fahne. Schweißperlen bilden sich auf Stournaras Gesicht. Dann der Kameraschwenk zum neuen, pompösen Sitz der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Ein Chauffeur der EZB vor dem Terminal begrüßt ihn mit den Worten: »Willkommen im Chaos. Es ist fast kein Korridor frei. Ich werde mein Bestes geben.« So in etwa könnte sich die Anfahrt für den Notenbankchef und Mitglied des EZB-Rats zur Feier der Neueröffnung gestalten.

»Wir stehen genau richtig«, tönt es derweil aus dem Megafon. Diese Worte erhoffen sich Tausende Menschen in Deutschland und aus dem europäischen Ausland in Frankfurt, wenn sie sich in aller Frühe am 18. März zu den Blockadepunkten aufgemacht haben. Blockupy, ein Bündnis aus linken Organisationen, NGOs, Linkspartei und sozialen Gruppen, mobilisiert zur Blockade aller Zugangswege der EZB. Kein Mitarbeiter der EZB soll seiner Arbeit nachgehen können, kein Gast in den Genuss von Sekt kommen, die Feier soll ins Wasser fallen.

Die große Sause wird es aber ohnehin nicht; wohl eher ein Kaffeekränzchen. Über die tatsächlichen Gründe, die Eröffnung des Neubaus mit nur 20 Gästen und 60 EZB-Vertretern zu feiern, wurde viel spekuliert. Ausschlaggebend für die Entscheidung, in kleinem Rahmen zu feiern, waren angeblich nicht nur die angekündigten Proteste, sondern auch die Suche nach einem »angemessenen Format«. Für die EZB stehe im Mittelpunkt, ihr Mandat zu erfüllen, und nicht Feiern zu veranstalten.

Am Vormittag des 18. März gibt es nun also eine Feierstunde mit Reden von EZB-Präsident Mario Draghi und Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD), nachmittags tagt der EZB-Rat. Man vertraut darauf, dass die Polizei trotz der Proteste einen Korridor für Gäste und Mitarbeiter freihält. Der ranghöchste erwartete Politiker wird wohl Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sein.

Gast der Feier und der Sitzung des EZB-Rats wird auch Giannis Stournaras sein. Auf ihn werden die Blicke besonders gerichtet sein. Nicht nur die der Protestierenden, die auch aus Griechenland anreisen, sondern auch die seiner Kollegen. »Ich und niemand anders diente dem griechischen Volk in einer der schwierigsten Phasen unserer Geschichte«, wird er sich vermutlich beim Anblick der Protestmenge denken.

Als Finanzminister galt er als wichtiger Berater von Ex-Premier Samaras, als Befürworter der Austerität. Noch bei seinem Antritt als Notenbankchef im Juni 2014 bestätigte er den Samaras-Kurs. Es gelte, das »Schiff in eine andere Richtung zu manövrieren - in Richtung Wohlstand und Aufschwung«. Ein Problem sei die geringe Liquidität der griechischen Wirtschaft. Und diese Meinung wird er wohl nun wieder vertreten.

Vor allem die Demonstranten aus Athen, Thessaloniki und Komotini, die in Frankfurt ebenfalls per Flieger ankommen werden, kennen seine ambivalente Rolle. In der griechischen Presse wurde sie jüngst ausführlich diskutiert. Anlass war die Entscheidung des EZB-Rats unter Mario Draghi, Griechenland den Geldhahn zuzudrehen. Bemängelt wurde die mangelnde Kommunikation seitens Stournaras: Obwohl er früh um die Ergebnisse der Vorstandssitzungen der EZB wusste, »machte er sich nicht mal die Mühe, persönlich Yanis Varoufakis über die Lage zu informieren«, so ein Kommentator.

Regierungschef Alexis Tsipras unterstreicht öffentlich das Vertrauensverhältnis zu Stournaras. Anfang März sagte er der griechischen Presse, er sei sich »sicher«, dieser werde »für die Wiederherstellung der Finanzierung der griechischen Wirtschaft alles Nötige tun, mit allen Instrumenten, die ihm zur Verfügung stehen«. In der Tat kommt Stournaras momentan eine Schlüsselrolle zu; es sind seine Kollegen von den Notenbanken, die Griechenland derzeit über Wasser halten.

Insofern hören die Griechen derzeit gut zu, wenn sich Stournaras öffentlich äußert. Zum Beispiel Ende vergangener Woche, als er sich nach einem Krisentreffen mit Tsipras-Stellvertreter Giannis Dragasakis und Finanzminister Yanis Varoufakis in beruhigenden Worten erging: »Es gibt kein Problem mit den Geldeinlagen.«

Erst allmählich scheint sich Stournaras seiner Situation als Vermittler bewusst zu werden. Was genau aber am 18. März beim EZB-Rat diskutiert werden wird und welche Rolle Stournaras spielt, ist erst einmal unklar.

So wie es spannend bleibt, wie die Demonstrationen verlaufen. Immerhin ist der 18. März in der deutschen Geschichte ein spezielles Datum. Er hat etwas mit Barrikaden zu tun.

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