Von Mietkündigung bis Suchtkrankheit

Urteile im Überblick

  • Lesedauer: 4 Min.
Auf dieser Seite fassen wir eine ganze Reihe von Urteilen von Sozialgerichten zusammen.

Sozialamt zahlte nicht: Kündigung rechtens

Wenn das Sozialamt monatelang keine Miete für einen Sozialhilfeempfänger zahlt, muss dieser mit der Kündigung seiner Mietwohnung rechnen. Die Mietkündigung ist in dem Fall gerechtfertigt.

Damit muss ein Sozialhilfeempfänger seine 140 Quadratmeter große Wohnung räumen. Der Mieter hatte erst Hartz-IV-Leistungen bezogen und später Sozialhilfe einschließlich der Übernahme seiner Wohnkosten beantragt. Das Sozialamt zahlte die Miete zunächst nicht. So liefen über mehrere Monate Mietschulden auf.

Das Sozialgericht verpflichtete die Sozialbehörde zwar per einstweiliger Anordnung, für den Zeitraum September 2013 bis Juni 2014 die Miete zu zahlen. In der Zwischenzeit hatte der Vermieter die Wohnung aber fristlos gekündigt und Räumungsklage erhoben. Es waren zudem weitere Mietrückstände hinzugekommen.

Der Mieter meinte, dass er nichts für den Mietrückstand könne. Er habe rechtzeitig mit seinem Sozialhilfeantrag die Übernahme der Wohnkosten beantragt. Wegen des Rechtsstreits mit der Sozialbehörde sei er in Mietverzug geraten.

Vor dem BGH bekam der Mieter nicht Recht. Mieter müssten auch bei unverschuldeter Ursache für die Folgen verspäteter Zahlung geradestehen. Sie sind zur Zahlung verpflichtet. Bei Geldschuld gelte das Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung. epd/nd

BGH-Urteil vom 4. Februar 2015 (Az. VIII ZR 174/14)

Jobcenter muss die Fahrtkosten bezahlen

Verheiratete Arbeitslose mit getrennten Wohnorten müssen ihr gemeinsames Kind besuchen können. Dafür können sie gegebenenfalls zusätzliche Leistungen vom Jobcenter beanspruchen. Voraussetzung sind gute Gründe für die getrennten Wohnorte. Zudem dürfen die Kosten nicht unnötig hoch sein.

Im konkreten Fall lebte zunächst die gesamte Familie in Thüringen und bezog Hartz IV. 2008 zog die Mutter mit der gemeinsamen Tochter nach Rumänien, um eine Arbeit aufzunehmen. Im Dezember 2011 besuchte der Vater seine Frau und die damals zehnjährige Tochter in Rumänien. Beim Jobcenter Weimarer Land beantragte er, die Kosten von 300 Euro zu übernehmen. Das Jobcenter lehnte ab. Die weit entfernten Wohnorte seien das »frei gewählte Lebensmodell« der Eheleute. Das Jobcenter müsse dies nicht zusätzlich finanzieren.

Bei geschiedenen oder zumindest getrennten Eltern ist es unumstritten, dass zumeist der Vater Anspruch auf zusätzliche Leistungen für den Umgang mit den bei der Mutter lebenden Kindern hat. Wie nun das BSG entschied, gilt dies »im Grundsatz« auch für Ehepaare, die nur räumlich getrennt leben. In solchen Fällen müssten die Arbeitslosen die kostengünstigste, aber noch zumutbare Lösung wählen. Neben einer günstigen Verkehrsmittelwahl kann dies nach dem Kasseler Urteil auch bedeuten, dass das Paar wieder zusammenzieht. Hier komme es im Einzelfall neben den Kosten auch auf die Gründe für die getrennten Wohnorte an.

Im konkreten Fall sei die Frau nach Rumänien gezogen, um dort eine Arbeit aufzunehmen. Dies sei ein anerkennenswerter Grund, so die Richter. Auch wenn nun gelegentliche Fahrtkosten anfallen, sei dies auch für das Jobcenter günstiger. Allerdings könne der Mann gegebenenfalls nach Rumänien nachziehen. Ein Nachzug zum Ehepartner ins Ausland sei zumutbar, wenn der Lebensunterhalt dort gesichert ist und wenn keine hohen Sprachbarrieren bestehen. Das muss das Thüringer Landessozialgericht prüfen.

Dennoch könne eine Erstattung der Reisekosten in Betracht kommen. Die Wahrnehmung des Umgangsrechts mit dem Kind sein ein »unabweisbarer Bedarf«. Die Reisekosten seien nicht im Regelsatz enthalten. Eine Kostenerstattung sei aber nur möglich, wenn der Hartz-IV-Bezieher auslotet, ob gegebenenfalls die Frau einen Teil der Fahrtkosten übernehmen könne. Erst dann käme eine Kostenerstattung in Betracht. AFP/epd/nd

Urteil des Bundessozialgerichts vom 11. Februar 2015 (Az. B 4 AS 27/14 R)

Kein Hartz IV beim Betreuungsprojekt

Bewohner eines Wohn- und Betreuungsprojektes für Suchtkranke haben keinen Anspruch auf Hartz IV. Das Leben in dieser Selbsthilfegemeinschaft entspreche der Unterbringung in einer stationären Einrichtung.

Geklagt hatten rund 80 Bewohnern eines Hauses der Synanon-Stiftung gegen die Entscheidung Berliner Jobcenter, ihnen kein Hartz IV zu zahlen. Die Synanon-Stiftung hatte dagegen erklärt, es handele sich bei den Wohngemeinschaften nicht um stationäre Einrichtungen, sondern um eine Gemeinschaft suchtkranker Menschen, die sich ohne professionelle Therapeuten Hilfe zur Selbsthilfe geben. Das Leben in den Häusern sei freiwillig.

Nach Auffassung der Berliner Sozialrichter ist jedoch von der Unterbringung in einer stationären Einrichtung auszugehen, wenn deren Träger die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und die Integration der Hilfebedürftigen übernehme und diese deswegen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Auch erhielten die Bewohner Geld für ihr tägliches Leben nur aus der Hand der Einrichtung ausgezahlt. epd/nd

Urteil des Berliner Sozialgerichts vom 8. Dezember 2014 (Az. S 37 AS 9238/13)

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