Thüringer Ikarus

PERSONALIE: Christian Köckert

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 2 Min.

Wer zu hoch hinaus will, stürzt oft tief, besagt der griechische Ikarus-Mythos. Zu DDR-Zeiten war das Motiv des Jünglings mit den wächsernen Flügeln, der der Sonne zu nah kam und deswegen ins Meer fiel, ein beliebtes Motiv von Skepsis - etwa beim Künstler Wolfgang Mattheuer. Doch als die DDR tatsächlich gestürzt war, stieg Ikarus gleich in Schwarmstärke auf: Junge Machertypen, die als Quereinsteiger eine Blitzkarriere hinlegten, bevor sie in Skandalen verglühten, sind typisch für die Nachwendezeit.

Christian Köckert, dessen Verurteilung wegen Bestechlichkeit und Vorteilsnahme der Bundesgerichtshof nun bestätigt hat, ist ein Paradeexemplar dieser Gattung. 1987 wurde der damals 30-jährige Theologe Pfarrer in Stedtfeld bei Eisenach, 1991 dort Bürgermeister, 1994 Landtagsabgeordneter, 1995 Erfurter CDU-Fraktionschef und 1999 Thüringer Innenminister. Befeuert wurde sein Aufstieg von seinem Händchen für wirtschaftsnahes Netzwerken. Anfang der 1990er galt Stedtfeld zeitweise als Beleg für Helmut Kohls »blühende Landschaften« - und Köckert kletterte so rasch, dass Probleme nicht mit ihm Schritt hielten.

Doch kaum im Ministersessel begann sein Abstieg. Erst verschwand eine Verfassungsschutz-CD aus seiner Obhut, dann wurde ihm vorgeworfen, die Beobachtung einer Wählerinitiative angeordnet zu haben, um die Chancen für die CDU zu steigern. Köckert musste schließlich die erste Reihe räumen und kehrte als ehrenamtlicher Beigeordneter und Stadtrat nach Eisenach zurück.

Auf diese Zeit beziehen sich die Vorwürfe, die Köckert 2014 in Meiningen vor Gericht brachten. Sein Consultingbüro beriet laut Urteil eine Wind- und Solarenergiefirma, die sich um Anlagen bei Eisenach bemühte; das Honorar soll über 66 000 Euro betragen haben. Außerdem habe er sich von einem Elektromarktinvestor begünstigen lassen.

Dafür wurde er im Vorjahr zu 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Nur über das Strafmaß, nicht aber über den Schuldspruch muss nun in Meiningen neu verhandelt werden.

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