Sprint mit 45-Meter-Knäuel

In Dortmund wird der neue Meister der Blitzhäkler gesucht

  • Franziska Höhnl, Dortmund
  • Lesedauer: 3 Min.
Häkeln ist hip. Mützen, Tücher, Pullover - am liebsten alles selbst gemacht. Schön soll es sein und individuell. Bei der Häkel-WM in Dortmund kommt es am Samstag aber nur auf eines an: Tempo.

Der Rekord liegt bei knapp sechseinhalb Minuten. So fix hat die amtierende Schnellhäkel-Weltmeisterin Hai Nguyen im vergangenen Jahr ein Knäuel Wolle zum Anfang einer Mütze verhäkelt. Zum dritten Mal wird der spaßige Wettstreit ausgetragen, an diesem Samstag erstmals auf der Messe Creativa in Dortmund. Beide bisherigen Runden gewann Nguyen. Rund 120 Blitzhäkler aus dem In- und Ausland wollen ihren Rekord mit schneller Nadel pulverisieren.

Einer von ihnen ist der amtierende Männer-Meister Maik Syrbe aus Schleswig-Holstein. Der 32-Jährige war im Vorjahr der schnellste Mann, aber langsamer als Hai Nguyen. Seit vier Wochen übt er in jeder freien Minute mit dem 45 Meter langen WM-Knäuel. »In der U-Bahn, in den Arbeitspausen, etwa zwei Stunden täglich.« Seit zwei Jahren häkelt er, der Ehrgeiz hat ihn gepackt: »Dieses Jahr will ich schneller sein als alle anderen.«

Syrbe ist wie etwa 100 andere Teilnehmer schon für das Finale qualifiziert. Sie setzten sich in Vorausscheiden durch, wie Veranstaltungssprecherin Nicole Groß sagt. Etwa 20 könnten am Samstag bei letzten Qualifikationen direkt auf der Messe noch ins Finale rücken. Angekündigt seien Starter aus ganz Deutschland, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und Italien. Zudem gebe es erstmals einen Wettbewerb für Talente unter 16 Jahren. »Häkeln ist wieder ein sehr junges Hobby«, sagt Groß. Viele fingen schon mit acht Jahren an.

Das war auch das Startalter der heute 16 Jahre alten Sabrina Czarnetzki aus Thüringen. Rund sieben Minuten braucht sie, um die 45 Meter zu verhäkeln. Für das Finale setzt sie auf die Büschelmasche, eine Masche, in der mehrere Fadenumschläge gebündelt werden. Auch Männer-Meister Syrbe vertraut auf die Büschel als Siegstrategie. Das verbrauche die Meter am schnellsten, sagt der 32-Jährige. Meisterin Nguyen hatte von der Premiere an mit der Büschelmasche gepunktet.

Die Leipzigerin selbst räumt dieses Jahr das Feld, tritt nicht an. »Ich wurde nach meinem Sieg im Internet beleidigt und beschimpft, da habe ich den Spaß verloren«, begründet die 37-Jährige ihren Rückzug. Stattdessen kreiere sie lieber Kleider und Mützen aus Wolle für sich, die vier Kinder und ihr eigenes Label »Ha!«.

Nguyen brachte sich die Handarbeiten vor vier Jahren selbst bei, um ihrer Tochter bei Häkel-Hausaufgaben zu helfen. Mit Video-Anleitungen auf YouTube habe sie geübt, erzählt sie. So wie es viele Wollfans tun. Dutzende deutschsprachige Kanäle zeigen Modelle und Profitricks. Die Kurzstrickkurse mit der ehemaligen Spitzen-Biathletin Magdalena Neuner etwa wurden bis zu 700 000 Mal angeklickt. Neuner ist Markenbotschafterin für einen namhaften Wollhersteller. Viele andere Clips werden von begeisterten Hobby-Häklern gefilmt.

Einen Videoschnipsel hat auch Männer-Meister Maik Syrbe auf Facebook geteilt: seinen besten Trainingslauf. Zeit: vier Minuten und fünfzig Sekunden. Etwa fünfeinhalb Minuten will er im Finale schaffen. Ob das reicht, weiß er nicht. »Es lässt sich schwer mit dem Vorjahr vergleichen, denn dieses Jahr ist das Knäuel zehn Meter kürzer.« dpa/nd

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