Hellster Stern
Die Sonne
»Mehr Licht!« - Goethes vorgeblich letzte Worte führten am Freitag gewiss nicht die Rankings der Bonmots an. »Mehr Finsternis!« war die Forderung Zigtausender, die sich - je nach Standort - in Deutschland am Ende aber doch mit einer maximal 66- bis 83-prozentigen Verdunkelung des Zentralgestirns begnügen mussten.
Diese Faszination der Finsternis wirft indes ein schwarzes Licht in die dunklen Tiefen des Menschen, für den »der hellste Stern von allen« (Rammstein) offenbar am interessantesten erscheint, wenn sich der mickrige Mond vor sein strahlendes Antlitz schiebt. Hieß es in früheren Zeiten »Brüder, zur Sonne ...«, so sind heute zwar auch die Schwestern dabei; das Ziel ist allerdings nicht mehr die Sonne, sondern deren Finsternis. Ob total, ringförmig, hybrid oder partiell - immer, wenn irgendwo auf der Welt eine Eklipse ihre Schatten vorauswirft, schlägt bei Millionen das Herz der Finsternis in höchsten Tönen.
Friedrich Nietzsche, ausdauernder Künder des Nihilismus, prophezeite sogar eine »Sonnenfinsternis, derengleichen es wahrscheinlich noch nicht auf Erden gegeben hat«. Allerdings suchte der an permanenten Kopfschmerzen leidende Philosoph denn doch lieber Orte auf, an denen die Sonne unbedeckt ihre strahlende Kraft entfalten konnte, namentlich in Italien.
Aber wer an die Sonne denkt, denkt natürlich nicht nur an Italien, sondern auch - genau - an Griechenland. Man muss schließlich keine Eulen nach Athen tragen, um den - nicht nur semantisch-phonetischen - Zusammenhang zwischen Helios, dem Sonnengott der griechischen Mythologie, und Hellas zu erkennen.
Und da die Griechen bekanntlich viel mehr Sonne haben als die Deutschen, könnten sie angesichts klammer Kassen und des boomenden Runs auf Sonnenfinsternisse den Tourismus damit ankurbeln, dass sie ihren Schuldenberg nicht planlos in die Landschaft schütten, sondern so platzieren, dass er solch solare Bedeckungen begünstigt. Man könnte natürlich auch einfach ein paar besonders finstere europäische Politiker vor die Sonne schieben.
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