Neuland Krankengeld

Microsoft verlangt von US-Vertragsfirmen 15 bezahlte freie Tage für seine Mitarbeiter

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.
Die US-Regierung will die Zahlung von Krankengeld durchsetzen, tut sich aber schwer mit einem Gesetz. Nun prescht Microsoft vor und fordert seine Partner zur Lohnfortzahlung auf.

Wer krank ist und nicht arbeitet, der bekommt keinen Lohn. Dieser einst überall in den Vereinigten Staaten geltende Grundsatz wird zunehmend durch eine Anpassung an die sozialeren Gepflogenheiten in anderen Industrieländern abgelöst. Eine gesetzliche Regelung zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gibt es aber auf Bundesebene noch nicht. Präsident Barack Obama will das ändern. Er tritt für Lohnfortzahlung bis zu sieben Krankheitstagen ein. Am Mittwoch gab er bekannt, dass er und alle Mitglieder seines Kabinetts durch die USA touren werden, um für diesen Gedanken zu werben.

Schützenhilfe bekommt der Präsident aus der Wirtschaft. Der Softwarekonzern Microsoft hat alle seine rund 2000 Partnerfirmen in den USA aufgefordert, ihren Mitarbeitern im Krankheitsfall eine Lohnfortzahlung zu gewähren. Wenn sie mit Microsoft weiter zusammenarbeiten wollen, dann müssen sie ihren Angestellten 15 Krankheitstage und Urlaubstage bezahlen. »Firmen, die diese Vergünstigungen bisher nicht geben, werden aufgefordert, ihre Politik zu ändern, auch wenn ihre Kosten dadurch steigen«, sagte Microsofts Chefjurist Bradford Smith. »Wir haben dies gemacht, wobei wir uns klar sind, dass Kostensteigerungen auf uns zurückfallen können.«

Microsofts Manager werden aber nicht allein von sozialer Verantwortung getrieben. Es spielen auch handfeste betriebswirtschaftliche Interessen eine Rolle. Zum einen sollte niemand aus Angst vor Lohnverlust krank zur Arbeit kommen müssen, weil er die Kollegen anstecken könnte. Zum anderen habe die Forschung ergeben, »dass Mitarbeiter, die solche Vergünstigungen bekommen, zufriedener sind, eine höhere Arbeitsmoral haben und deshalb sehr wahrscheinlich produktiver sind«, sagte Smith.

Microsoft will alle Vertragsfirmen mit mehr als 50 Mitarbeitern zwingen, mindestens 15 bezahlte freie Tage zu gewähren. Die könnten sich in zehn bezahlte Urlaubstage und fünf bezahlte Krankheitstage aufspalten. Den eigenen Angestellten räumt Microsoft zehn bezahlte Krankheitstage im Jahr ein und, je nach Betriebszugehörigkeit, bis zu 25 Urlaubstage.

Microsofts Initiative belebt die Debatte über Lohnfortzahlung in Washington und in den Bundesstaaten. Dort wollen Präsident Obama und sein Kabinett jetzt für diese Idee werben. In Kalifornien, Connecticut und Massachusetts sowie in den liberal regierten Millionenstädten New York und San Francisco gibt es schon lokale Gesetze für bezahlte Krankentage. In Oregon wird noch darüber gestritten. Die Bürger von Portland, dem wirtschaftlichen Zentrum des Bundesstaats, haben sich in einer Volksabstimmung dafür ausgesprochen. Im Senat des Bundesstaats verweist der demokratische Senator Michael Dembrow darauf, dass so etwas »in unseren Nachbarländern und weltweit die Norm ist.« Die republikanische Senatorin Kim Thatcher sieht darin dagegen eine Belastung für die Wirtschaft. »Manche Firmen können das nicht schaffen.«

Die Direktorin des des gemeinnützigen Verbandes Working Partnership USA, Derecka Mehrens, lobte hingegen den Schritt von Microsoft, weil er Ungerechtigkeiten im Silicon Valley beseitige. So bekommen ihrem Verband zufolge Geringverdiener wie Wächter, Hausmeister oder Fahrer in Kaliforniens Zentrum der Hightechindustrie häufig keine Lohnfortzahlung bei Krankheit. Und dabei verdienen sie ohnehin nur einen Bruchteil dessen, was ihre Kollegen bekommen: So geht ein einfacher Angestellter mit einem durchschnittlichen Gehalt von 26 000 Dollar (23 650 Euro) nach Hause. Ein technischer Vollzeitangestellter kommt hingegen auf 115 000 Euro.

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