Kriminalstatistik soll jetzt stimmen

Innenminister legte die Zahlen für 2014 vor - 4000 Delikte mehr als nach alter Zählweise

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Drei oder vier aufgebrochene Autos in einer Straße sind jetzt wirklich drei oder vier Fälle und nicht mehr nur einer.

Im Prinzip weist die Kriminalstatistik für das Jahr 2014 nur wenige bedeutsame Veränderungen aus. Es kamen jedoch die umstrittenen Angaben früherer Jahre auf den Tisch, als Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) die Statistik am Freitag vorlegte.

»Ich hoffe, Sie erleben keinen Widerspruch zwischen Wort und Tat«, sagte der Innenminister, der erst seit November im Amt ist. Die Kriminalität in Brandenburg habe ein »Plateau« erreicht. In den kommenden Jahren werde sich da wohl nicht wesentlich etwas verändern. Die Polizei habe im vergangenen Jahr 196 033 Straftaten registriert. Das seien rund 1200 weniger als 2013. Mit 8004 Straftaten je 100 000 Einwohner bleibe Brandenburg aber unverändert ein Flächenland mit vergleichsweise hoher Kriminalitätsbelastung. Von den 67 300 ermittelten Straftätern seien etwa 10 500 nicht deutscher Herkunft.

Die relativ geringe Gewaltkriminalität sei glücklicherweise noch einmal leicht zurückgegangen. Bei Mord, Totschlag, Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung habe die Polizei 76 Fälle weniger registriert (insgesamt 4178) und über 80 Prozent aller Delikte dieser Kategorie aufklären können. Die Zahl der Wohnungseinbrüche verharrte bei knapp 4000. Das seien »eindeutig zu viele«, räumte der Minister ein. Rund 70 Prozent der versuchten Einbrüche in Brandenburg gelingen den Tätern, im Bundesmaßstab sind es lediglich 60 Prozent. Schröter mahnte, es Dieben mittels technischer Vorrichtungen schwerer zu machen. Erfahrungsgemäß lasse ein Einbrecher von seiner Tat ab, wenn er länger als drei Minuten benötige, um sich Zugang zu verschaffen.

Die präsentierten Zahlen waren weniger interessant als die Frage, ob sie mit denen der Vorjahre vergleichbar sind. Schröter stellte eine »Neuberechnung« vor. Im vergangenen Jahr war der Polizei vorgeworfen worden, die Statistik zu schönen. Schröter betonte, dass die aktuellen Angaben nunmehr hieb- und stichfest seien und den Kriterien des Bundeskriminalamtes entsprechen.

Die Statistik für 2014 sei noch einmal überarbeitet worden, was mit »vielen Überstunden« und einem Tag Sonderurlaub für die beteiligten Beamten verbunden war, wie Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke unterstrich. Der Minister gab bekannt, dass sich im Zuge der Neubewertung die Zahl der Straftaten nach neuen und fortan gültigen Gesichtspunkten um 2,07 Prozent beziehungsweise fast 4000 Fälle erhöht habe. Die Statistik weise nun 44 mehr Fälle von Autoklau aus, 58 mehr Einbrüche in Wohnungen, 997 mehr Einbrüche in Keller und Dachböden sowie 329 mehr Einbrüche in Gartenlauben.

Eingestandermaßen war in der Polizeidirektion West und wohl auch der Direktion Süd bis in das Jahr 2014 hinein zum Teil nach der Maßgabe gerechnet worden, dass das Aufbrechen mehrerer Autos in einer Straße nur als ein Fall zu zählen ist, wenn es mutmaßlich die selben Täter waren. Schröter bestand darauf, dass diese Zählweise damals noch zulässig und mit den Regeln des Bundeskriminalamtes vereinbar gewesen sei. Ein seinerzeit bestehender Spielraum sei nun aber nicht mehr vorhanden.

Von einer bewussten Fälschung der Statistik müsste gesprochen werden, wenn mehrere Einbrüche zu einem Fall zusammengefasst, für die Berechnung der Aufklärungsquote aber wieder einzeln gewertet worden wären. Ob das eventuell früher so gewesen ist, ließ sich nicht mehr feststellen.

Der ehemalige Landtagsabgeordnete Hans-Peter Goetz (FDP) und der Landtagsabgeordnete Björn Lakenmacher (CDU) bestehen darauf, dass die Statistik in den Jahren 2013 und 2014 manipuliert worden sei. Der Innenausschuss des Landtags sei falsch informiert worden, sagte Goetz. Lakenmacher sagte: »Wenn einmal falsch vor Ort erfasst wurde, ist eine restlose rückwirkende Heilung schlicht nicht mehr möglich.« Es sei auch nicht eingetreten, was zur Rechtfertigung des Personalabbaus bei der Polizei vorhergesagt war - »dass die Kriminalitätsbelastung über die Jahre deutlich zurückgehen wird«. Brandenburg verteidige den traurigen Titel, »dass Eldorado für Einbrecher und Diebe zu sein«.

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