Sieben Tage, sieben Nächte

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Irgendwo in der nd-Redaktion müssen sie noch stehen - die alten Lenin-Bände. Nur gut, dass wir nicht so voreilig waren wie andere, die sie vor 25 Jahren entsorgt haben. Wir werden sie nämlich noch brauchen. Jetzt ist es soweit: Lenin kommt wieder. Zumindest sein Kopf. Und der war schließlich das Wichtigste am großen Revolutionär und Theoretiker, der nicht erst im letzten Vierteljahrhundert vielen als Inbegriff des Bösen galt, während er von anderen bis heute verehrt wird.

Dass in Berlin ein Teil des 1991 in einem Forst verbuddelten Tomski-Denkmals ausgerechnet zu Lenins 145. Geburtstag wieder ausgegraben werden soll, um demnächst in der Spandauer Zitadelle für mindestens zehn Jahre ausgestellt zu werden, ist eine echte Osterbotschaft. Die Auferstehung trifft eben hin und wieder auch Atheisten. Das wird zahlreichen Hauptstädtern - besonders denen, die das auch schon vor dem Mauerfall waren und sich dereinst heftig gegen die damals grassierende Denkmalstürmerei wehrten - eine Genugtuung sein. Selbst wenn heute dafür kleine Tierchen »vergrämt« werden müssen, die europaweit geschützt sind. In den Wechselfällen des Lebens ist eben jeder mal dran mit dem Vergrätzen und Vergrämen. Von wegen »Good bye, Lenin«. Jetzt kann es »Good bye, Zauneidechse« heißen - wenn tatsächlich die Naturschützer mitspielen. Hat eigentlich Lenin je einen Gedanken an den Umweltschutz verschwendet? Ganz bestimmt! Uns das zu erklären, ist im Parteilehrjahr damals nur einfach vergessen worden.

Jedenfalls hätten wir aber von alleine wissen können, dass der, der an den Schlaf der Welt rühren konnte, freilich auch die Wiederauferstehung schafft. Und »Was tun« haben wir einfach nur als rhetorische Frage missverstanden. Es war eine Aufforderung zum Handeln! Eine, die unter einem rot-schwarzen Senat nun endlich umgesetzt wird. Was wiederum nur gerecht ist, weil Lenins Wanderung ins Erdreich zu den vielen Zauneidechsen auch von einer Großen Koalition - allerdings unter CDU-Führung - beschlossen worden war. Aber hat nicht gerade Lenin uns immer wieder vor den »Zwei Taktiken der Sozialdemokratie« gewarnt?

Wir hätten ihn einfach besser studieren sollen. Dann wäre uns auch klar geworden, dass »Ein Schritt vorwärts, zwei zurück«, gar nicht etwa auf innerparteiliche Auseinandersetzungen gemünzt war, sondern uns über Jahrzehnte auf das vorbereiten sollte, was 1989 hier und ein paar Jahre später in Lenins Heimat stattfand: das Wechselspiel von »Staat und Revolution« in echt. Aber es wird ja doch noch alles gut. Lenin kommt wieder. Jedenfalls sein Kopf. Da fehlen zwar noch weit mehr als zwei Bestandteile, aber Lenin konnte schließlich nicht wissen, dass nicht alles nur drei davon hat - und er dereinst in ganze 120 zerlegt werden würde. oer

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