Renaissance der Rillenscheibe

2014 wurden so viele Vinyl-Schallplatten verkauft wie zuletzt 1992 - trotz und wegen der Internet-Portale

  • Katja Heins
  • Lesedauer: 3 Min.
Als die CD aufkam, geriet die Schallplatte lange außer Mode. Jetzt stirbt die CD - doch die Schallplatte kehrt zurück. Vor allem Männer scheinen sich wieder für die alte Musiktechnik zu begeistern.

Die Schallplatte galt schon als tot. Plattenspieler landeten im Keller oder verstaubten im Regal. Doch nun, da ihrerseits die Compact Disc ausstirbt, weil jedes Lied stets auf Internetportalen erhältlich ist, erlebt die Platte aus Vinyl eine Renaissance.

»Viele junge Leute kennen Vinyl gar nicht, legen dann zum ersten Mal eine Platte auf und denken: Wahnsinn, klingt das gut«, sagt Benno Salgert, Mitinhaber eines der ältesten deutschen Hi-Fi-Läden in Bonn. Auf 600 Quadratmetern bietet er gegenüber dem früheren Kanzleramt um die 30 000 LPs sowie Musikanlagen ab 200 Euro an. Das teuerste Model in schwarzem, verschnörkeltem Lack liegt bei 78 000 Euro, allein der Plattenteller wiegt zehn Kilo.

Die Nachfrage nach Platten und Plattenspielern kehrte vor etwa fünf Jahren zurück, erinnert sich Salgert. »Mittlerweile kommt auf 20 verkaufte Schallplatten eine CD. Auf fünf Plattenspieler kommt vielleicht ein CD-Player.« Unter seinen Kunden sind sowohl junge Leute, die auf das Medium aufmerksam geworden sind, weil viele Plattenaufleger in Klubs auf Schallplatten vertrauen. Aber auch Musikliebhaber zwischen 50 und 70, die mit ihnen geworden sind.

Salgert zählt sich zu den »Analogies«, die immer an Vinyl geglaubt haben. Die CD sei zu früh gekommen, die Technik noch nicht reif gewesen für dieses Medium. »Man wollte unbedingt Digitalität, saß aber noch vor dem alten Commodore-Rechner. Die CD kann das gewünschte Klangspektrum einfach nicht so wiedergeben wie Vinyl«, sagt Salgert.

Dass LPs wieder im Kommen sind, sieht man in den Elektronikmärkten: Die Schallplattenabteilungen wachsen, viele Künstler bringen ihre neuen Alben wieder auf Vinyl heraus: Lady Gaga, Kings of Leon, Clueso, Die Ärzte oder Moderat sind in den Regalen zu finden, direkt neben Nachpressungen alter Hits.

Laut dem Bundesverband Musikindustrie stieg der Schallplattenumsatz 2014 um rund 33,4 Prozent auf 38 Millionen Euro. Insgesamt wurden 2014 etwa 1,8 Millionen Platten verkauft, so viel wie zuletzt 1992.

Geht es hier um Nostalgie? »Auf keinen Fall«, meint Thomas Mechlen, Inhaber eines kleinen Ladens in Köln. »Es geht um Hörgenuss«, beteuert er. »Man kann eine neue Bewegung ausmachen, die die Platte als eine Art Wellnessobjekt sieht. Das heißt: Bewusst hinsetzen und hören, ohne mit der Fernbedienung die Möglichkeit zu haben, alle Songs nur kurz anzuspielen.«

Lars Hoffmann aus einem anderen Kölner Plattenladen sieht noch einen weiteren Grund für die steigende Nachfrage: Rund 90 Prozent der neu gepressten Platten aus dem Rock/Pop-Bereich haben einen Download-Code auf der Hülle. »Das heißt, ich kann die Musik auf mobilen Geräten abspielen, aber auch «in schön» zu Hause«, sagt Hoffmann.

Auffällig ist in den Musikläden: Frauen sieht man dort nicht. Platten - das ist eine Männerdomäne. Mechlen meint dazu: »Männer sind einfach Wühler und Sammler.« dpa/nd

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