Auskunft gibt es wieder zum 70. Jahrestag

Geld für sächsische Stiftung

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Dank kam von Herzen. In einer Datenbank der Stiftung sächsische Gedenkstätten, schrieb Berit Ortiz de Zevallos, habe sie einen Mann namens Andrej Iljinskij entdeckt, »von dem ich vermutete, dass er der Bruder meines Opas sein könnte«. Mit Hilfe der Stiftung erlangte sie Gewissheit, und »ich fand auf einmal viele Verwandte, von denen ich gar nicht wusste, dass es sie gibt«, schrieb sie im April 2014 an die Stiftung.

Es ist nur eine von vielen Danksagungen für eine Arbeit in Dresden, die in Ländern der früheren Sowjetunion hohe Wertschätzung genießt - deren Fortsetzung aber zuletzt fraglich erschien. Seit 2000 entstand in der Stiftung eine Datenbank mit Angaben zu sowjetischen Kriegsgefangenen. Im II. Weltkrieg waren rund 5,3 Millionen Sowjetsoldaten in deutsche Gefangenschaft geraten; die Hälfte überlebte die Haft und die grausame Behandlung nicht.

Im Rahmen eines Dokumentationsprojektes wurden Akten gesichtet und digitalisiert, die in Archiven in Deutschland und in der früheren UdSSR lagern. Entstanden ist eine Datenbank mit Unterlagen zu etwa einer Million Gefangenen; neben den Namen auch Geburtsdaten und - falls bekannt - Ort und Tag des Todes. Vor allem für diese Angaben interessieren sich Angehörige, die Gewissheit über das Schicksal ihrer Vorfahren erlangen und wenn möglich ihre Gräber besuchen wollen. Die Datenbank war sehr gefragt. Monatlich gingen zudem mehr als 250 direkte Briefe in Dresden ein.

Allerdings sah es zeitweise so aus, als ob die Ergebnisse der mühevollen Arbeit ausgerechnet zum 70. Jahrestag der Befreiung nicht mehr zu nutzen seien. Die Finanzierung war Ende 2014 ausgelaufen. Zuvor hatte der Bund die Hauptlast getragen und 2,9 von 3,8 Millionen Euro gezahlt. Weil eine Anschlusslösung nicht rechtzeitig gesucht worden war, musste die Auskunftstätigkeit eingestellt werden - peinlicherweise nur wenige Monate vor dem 70. Jahrestag. Appelle aus Moskauer Regierungskreisen waren erfolglos; Anträge der LINKEN in Landtag und Bundestag ebenso. Allein im Januar und Februar seien so 252 000 Zugriffe auf die Datenbank unbeantwortet geblieben, sagte kürzlich Franz Sodann, Kulturpolitiker der LINKEN im sächsischen Landtag.

Jetzt aber geht es doch weiter: Am 1. Mai - eine Woche vor den Gedenkfeiern - werde die Arbeit wieder aufgenommen, erklärte die Gedenkstättenstiftung nach einer Sitzung des Stiftungsrates. Zuvor hatten sich die Kulturpolitiker der sächsischen Koalition aus CDU und SPD geeinigt, der Stiftung im Etat zusätzliche Mittel zu bewilligen. Der genaue Betrag sei noch offen, sagte die SPD-Abgeordnete Hanka Kliese. »Es wird aber so viel sein, dass die Arbeit weiter gehen kann«, sagte sie dem »nd«. Für 2015 trägt das Land alle nötigen Kosten. Wie viel Geld der Freistaat für die Zukunft einplanen muss, hängt davon ab, in welcher Höhe sich der Bund wieder beteiligt. Dazu laufen Gespräche; am Freitag soll es eine weitere Runde geben. Laut Sachsens Kunstministerin Eva-Maria Stange hat der Bund seine Bereitschaft erklärt, ab 2016 wieder Geld bereit zu stellen; ein Finanzierungsabkommen müsse noch erarbeitet werden, heißt es im Ministerium. Stange sieht in der Auskunftserteilung eine »humanitären Verpflichtung« Deutschlands; Siegfried Reiprich, der Geschäftsführer der Stiftung, spricht von einer »gesamtstaatlichen nationalen Aufgabe«. Eine Million Datensätze liegen noch in den Archiven. Viele Hinterbliebene, sagt Sodann, erhielten mit der jetzigen Lösung noch »die Chance, Klarheit über das Schicksal« ihrer Angehörigen zu erlangen.

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