Richter zweifeln an der »Herdprämie«

Populistische CSU-Vorstöße haben juristisches Nachspiel

  • Lesedauer: 2 Min.

Die CSU gefällt sich in der Rolle der Krawallmacherin, die Applaus von rechten Stammtischen erhält. In jeder Koalition mit Beteiligung der Union müssen auch Bayerns Konservative zufriedengestellt werden. Der Nutzen der Gesetze, für die sich die CSU eingesetzt hatte, wird allerdings immer wieder stark angezweifelt. Das gilt sowohl für die vor wenigen Wochen verabschiedete antieuropäische Pkw-Maut für Ausländer als auch für das Betreuungsgeld, das noch von Schwarz-Gelb durchgedrückt worden war. Kritiker bezeichnen diese Leistung als »Herdprämie«, weil sie alte Rollenbilder vom Mann als Ernährer der Familie und der Frau als Zuständige für den Haushalt verfestigt.

Neben der großen öffentlichen Kritik nimmt die CSU bei ihren erfolgreichen populistischen Vorstößen auch juristische Auseinandersetzungen billigend in Kauf. Österreich überlegt, ob es wegen des Mautgesetzes eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einreicht. Gegen das Betreuungsgeld läuft bereits ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die Prämie von monatlich 150 Euro für Eltern, die ihre Kleinkinder zu Hause statt in der Kita betreuen, mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Der Stadtstaat Hamburg hatte Klage gegen die Leistung eingelegt. Das Gerichtsurteil wird noch in diesem Jahr erwartet.

Bei einer mündlichen Verhandlung machten die Karlsruher Richter Anfang der Woche deutlich, dass sie an der Rechtmäßigkeit des Betreuungsgelds zweifeln. Die Richter sind skeptisch, ob der Bund überhaupt zuständig für die Einführung der Familienleistung war. Die Berichterstatterin des Senats, Richterin Gabriele Britz, sprach im Hinblick auf die Vorgaben des Grundgesetzes zur konkurrierenden Gesetzgebung von einer »großzügigen Sicht der Bundesregierung«.

Laut Grundgesetz besitzt der Bund gegenüber den Ländern eine sogenannte konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für das Recht der »öffentlichen Fürsorge«. Dafür ist er aber erst zuständig, wenn ein Bundesgesetz »zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet« nötig ist. Die Rechtsgelehrte und Vertreterin Hamburgs, Margarete Schuler-Harms, bestritt, dass die »honorierte Nichtnutzung« staatlich geförderter Einrichtungen wie etwa das Kindergeld oder Elterngeld als »öffentliche Fürsorge« gewertet werden könne. Wenn jemand Geld dafür bekomme, Kitas nicht in Anspruch zu nehmen, diene dies nicht der Herstellung gleicher Lebensverhältnisse.

Die SPD-geführte Landesregierung von Hamburg hält die Regelung aus mehreren Gründen für verfassungswidrig. Aus ihrer Sicht konterkariert die Prämie auch die Bemühungen des Landes, möglichst vielen Kindern frühkindliche Bildung zukommen zu lassen. Nur frühe Bildung biete die Chance auf Teilhabe. Dies sei besonders für Kinder bildungsferner Familien und mit Migrationshintergrund wichtig. Agenturen/nd

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