Ehrung für alle Opfer politischer Repression

Landesweit erstes derartiges Denkmal soll in Russlands Hauptstadt in einem Jahr enthüllt werden

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 2 Min.
Anmeldeschluss des Wettbewerbs um seine Gestaltung ist in knapp einer Woche, ein Jahr darauf soll es in Russland enthüllt werden - das erste Denkmal für alle Opfer politischer Repressionen.

Das Datum der Einweihung ist mit dem 6. Mai 2016 bereits festgelegt. Dann soll in Moskau das landesweit erste Denkmal für die Opfer politischer Repressionen enthüllt werden Derzeit liegen der Jury bereits Bewerbungen von rund 160 Künstlern - Bildhauern, Architekten und Designern - darunter auch prominenten europäischen - vor, wie auf einer Pressekonferenz bekannt gegeben wurde. Entwürfe können noch bis zum 15. Mai eingereicht werden.

Verlangt wird neben Skizzen für die eigentliche Skulptur auch ein Konzept für deren Integration in das städtebauliche Umfeld: Eine verkehrsreiche Kreuzung von Gartenring und Sacharow-Prospekt. Sie liegt nahe des Zentrums und war Schauplatz der Massenproteste nach den umstrittenen Parlamentswahlen 2011. Zu deren Organisatoren gehörte der im März ermordete liberale Oppositionspolitiker Boris Nemzow.

40 Tage lang legten Hunderte Menschen immer wieder frische Blumen an der Brücke über die Moskwa nieder, wo Nemzow erschossen wurde. 40 Tage ließ die Moskauer Stadtregierung die Blumen als »Müll« entsorgen. Anhänger brachten den »Skandal« sogar bei der Bürgersprechstunde von Präsident Wladimir Putin Mitte April zur Sprache und verlangten nach einem Nemzow-Denkmal. Dazu wird es in überschaubaren Zeiträumen wohl nicht kommen. Russlands liberale Opposition zählt aber auch Nemzow zu den Opfern politischer Repressionen.

Bürgerrechtler sorgten dafür, dass schon 1990 ein Felsbrocken von den Solowki-Inseln im Eismeer, wo 1923 das erste Straflager für Regimegegner entstand, vor die KGB-Zentrale am Moskauer Lubjanka-Platz gerollt wurde. Aktivisten verlesen dort alljährlich am 30. Oktober - dem Tag der Erinnerung an die Opfer politischer Repressionen - von Null bis 24 Uhr von ihnen rekonstruierte Kurzbiografien der in den Gulags Ermordeten. Nach offizieller russischer Darstellung waren das mindestens drei Millionen Menschen.

Um ein »richtiges« Denkmal kämpften Bürgerbewegte und liberale Opposition jahrelang vergeblich. Würde nicht der Staat jetzt die Kosten tragen, kämpften sie noch heute. An privaten Spenden kamen bisher ganze 30 000 Rubel zusammen, das sind etwas mehr als 535 Euro.

Die zehn Wettbewerbsfavoriten sollen im Juni bekannt gegeben, der Sieger im Herbst gekürt werden. Die Entwürfe der Zweit- und Drittplatzierten, so einer der Juroren, könnten in anderen russischen Großstädten realisiert werden.

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