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Hat die AfD bald ausgeschillert?

Die Bremer Linkspartei hielt nach rechts dicht

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 4 Min.
Erneut hat die AfD ein Landesparlament erreicht. Doch das Ergebnis unterscheidet sich in einem Detail von früheren: Von der LINKEN kam nicht eine Stimme. Dafür aber viele von den Grünen.

Derzeit führt die AfD ein erstaunliches politisches Exempel vor: Obwohl die Partei in einem wahren internen Bürgerkrieg gefangen ist und sich die zwei - oder drei - Flügel der »Alternative für Deutschland« in einer Art zerfleischen, hinter der sogar die jüngeren Querelen der »Piraten« zu verblassen scheinen, gewinnt die Partei weiterhin Wahlen. Wie nun auch in Bremen, wo die Truppe bei ihrem ersten Antreten aller Voraussicht nach die Fünfprozenthürde deutlich genommen hat, während sie auf Bundesebene unmittelbar vor der Wahl durch haarsträubende Intrigen aufgefallen war - und an der Weser mit den »Bürgern in Wut« eine zumindest lokal nicht ganz unbedeutende rechte, populistische Konkurrenztruppe agierte.

Da lässt sich vorstellen, wie das Ergebnis ausgefallen wäre, wenn die Partei geschlossen aufträte. Oder doch nicht? Als Stärke der Protestpartei wurde bisher zumeist gerade ihr inhaltliches Schillern betrachtet: Nicht nur Eurohardliner von der FDP, xenophobe Stammtischwähler der Union und rechtsdrehende Nichtwähler könne sie auf sich vereinen, so hieß es, sondern auch solche, die zuvor für die LINKE gestimmt hätten. Die Wahlergebnisse in Thüringen und Brandenburg schienen diese »totalitarismustheoretisch« lesbare Analyse eines AfD-Erfolgsmodells Rechts-links-Populismus auch zu bestätigen: Sogar die im Freistaat siegreiche Linkspartei verlor im September nicht weniger als 16 000 Stimmen an die »Blauen«, soviel wie an keine andere Partei und mehr noch als an die Nichtwähler. Und in Brandenburg waren es gar 20 000 Stimmen.

Neben der Union und den Nichtwählern stellte sich also gerade das Wählerpotenzial der LINKEN bei diesen Wahlen als ein offenbar bevorzugtes Revier der AfD dar. »AfD-Wähler kommen von überall her«, bilanzierte etwa die »Süddeutsche Zeitung«.

Über die Gründe ließ sich spekulieren; über das Greifen einer politisch flottierenden Polemik gegen »die da oben« hinaus lässt sich bei diesen Wahlen in ostdeutschen Flächenländern sicherlich auch die damals eskalierende Ukraine-Krise nennen, in der sich die AfD - teils noch deutlicher als die Linkspartei - als »pro-russisch« oder »anti-westlich« aufgestellt hatte.

Doch schon die Hamburger Bürgerschaftswahl im Februar schien diese These nur noch in Teilen zu bestätigen. Zwar gingen dort fast alle der Stimmen, die die Linkspartei an andere Parteien verlor, an die AfD - doch war die LINKE für deren Erfolg nicht wichtig. An der Elbe verlor die CDU achtmal so viele Wähler an die AfD wie die LINKE, die SPD siebenmal so viele - und selbst die Grünen, deren gebildete und meist besser verdienende Klientel man intuitiv als überaus AfD-fern einschätzen würde, verloren eben so viele Stimmen an die AfD wie die Linkspartei.

In Bremen verstärkte sich diese Tendenz nun offensichtlich noch einmal: Dort ist laut Daten von Infratest dimap für die ARD gerade die Linkspartei die einzige etablierte Kraft, die nach rechts dichthielt. Demnach gingen von der CDU 2000, von der FDP, die insgesamt deutlich an Stimmen gewann, immerhin noch 500, von SPD wie Grünen jeweils 1000 Stimmen an die AfD - nur von der gleichfalls stark zugewinnenden LINKEN auch nicht eine einzige.

Woran das liegen könnte, deuten die Infratest-Daten gleichfalls an: Demnach war in Bremen das traditionell rechte Thema »Ausländer/Flüchtlinge« mit großem Abstand das wichtigste für AfD-Wähler: 54 Prozent von ihnen gaben das als einen wichtigen Grund für ihre Stimmabgabe an, wichtig war ihnen auch die »Kriminalitätsbekämpfung«. Die eher mit Parteigründer Bernd Lucke verbundenen Themen - wie »Verschuldung« und »Wirtschaftspolitik« wurden dagegen viel seltener genannt. Zumindest in einem großstädtischen, westdeutschen Umfeld scheinen die um die Linkspartei gruppierten Wählergruppen gegenüber solchen Parolen weniger empfänglich zu sein als die politischen Milieus der »Mitte«. Erstaunlich ist wiederum die anteilig relativ hohe Wählerwanderung von den Grünen zur AfD. Die hatte sich in Bremen zwar auch mit einem Aufruf »Schwule und Lesben rufen zur Wahl der AfD auf« positioniert, doch dürfte dies als Begründung kaum ausreichen.

Doch dies haben nun andere zu analysieren. In der Linkspartei kann man sich derweil fragen, was in Bremen richtig gemacht wurde.

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