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Luftnummern statt Höhenflüge

Neues zum A400M-Transporter: Von der Leyen kann dem Teufelskreis alter Rüstungsverträge nicht entkommen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
G36, MG 5, A400M, NH90 MEADS - Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wird von Rüstungsaltposten eingeholt. Und sie beginnt selbst, milliardenschwere Probleme anzuhäufen.

Am 9. Mai fiel am spanischen Airbus-Produktionsstandort Sevilla ein nagelneuer A400M-Militärtransporter von Himmel. Die Untersuchungen zur Ursache wurden - auch sehr zum Ärger des deutschen A400M-Kunden - als »secret« eingestuft. Ein Datenaustausch mit der Industrie sowie ausländischen Behörden, so der Deutschen Luftwaffe, ist untersagt. Derzeit seien alle Aussagen zur Absturzursache spekulativ, sagt der Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium Ralf Brauksiepe. Und er stellt fest: »Mit dem vorliegenden Informationsstand kann daher noch nicht über die Wiederaufnahme des Flugbetriebes mit dem deutschen A400M entschieden werden.«

53 Maschinen hat Deutschland bei Airbus bestellt. Und eigentlich sollte bereits mindestens ein halbes Transportgeschwader mit dem Wunderwerk der Luftfahrttechnik ausgerüstet sein. 18 A400M wurden nach den korrigierten Plänen noch in diesem Jahr erwartet. Doch bereits vor dem Absturz im Mai hielt man den Empfang von maximal drei Maschinen für realistisch. Diese Träume kann man nun vergessen. Bislang verfügt die Luftwaffe nur über eine Maschine. Doch auch diese eine Maschine leistet nicht das, was vereinbart war.

Im Januar hatte Airbus - was niemanden erstaunte - weitere »Lieferverzögerungen und Verzögerungen im technischen Fähigkeitsaufwuchs angekündigt«, sagt Braukiepe. Sicher ist, die Maschinen können vorerst weder Fallschirmjäger noch Material aus der Luft absetzen, die Betankung in der Luft funktioniert nicht und so ist es auch mit dem Selbstschutzsystem, das Voraussetzung ist, will man die Flugzeuge in Krisen- und Kriegsgebieten einsetzen. Kurzum: Hätte die Bundeswehr Frachtmaschinen der DHL gemietet, wäre sie besser geflogen.

Zu den Folgen gehört auch, dass die altersschwachen Transall-Maschinen der Bundeswehr - Erstflug 1963 - weiter ihren Dienst verrichten müssen. Eigentlich wollte man die alten Arbeitspferde der Transportgeschwader bis 2018 stilllegen. Doch nun untersucht man stattdessen die Möglichkeit, die Transall bis 2021 fliegen zu lassen. Das hat nicht nur gravierende Auswirkungen aufs Material. Auch das Personal muss umdisponiert werden, der Flugplatz Hohn muss weiter betrieben werden, man braucht Ersatzteile, die eigentlich nicht mehr produziert werden. Kurzum: Bürger zahle!

Nein, hört man aus dem Verteidigungsministerium. Man wolle Airbus für seine Unfähigkeit in Haftung nehmen. Der Wille mag ja da sein, allein die Verträge geben Regressforderungen wohl nicht her, meint nicht nur der zuständige Haushaltsexperte der Linksfraktion Michael Leutert.

Neben der Dauerpleite A400M hat die Chefin des deutschen Militärs noch diverse andere Baustellen. Sie wird immer mehr zur Getriebenen, dabei wollte sie doch die treibende Kraft sein beim Neuordnen der Rüstungsbeschaffung. Auf Eis liegen derzeit die Probleme mit dem Eurofighter, dessen Nutzungsdauer infolge von Pfusch auf ein Drittel begrenzt wurde. Die Probleme mit dem flug- und einsatzuntauglichen NH90-Hubschrauber, der auch aus dem Hause Airbus stammt, sind nicht gelöst.

Von der Leyen muss sich dieser Tage definitiv für ein neues Luftabwehrsystem entscheiden. Man hat die Ministerin »überzeugt«, die Anzahl der Panzer und der Panzerverbände aufzustocken und eine Studie zum Bau eines neuen »Leoparden«-Typs in Auftrag zu geben. Vorangetrieben wird die Beschaffung von bewaffnungsfähigen Drohnen. Alle drei Vorhaben sollen im multinationalen Verbund realisiert werden - wie der Bau des Airbus-Transporters, des NH90-Hubschraubers, des »Eurofighters« … Man darf neue Probleme ahnen.

Nach wie vor sieht sich die Ministerin Angriffen ausgesetzt, weil sie das wärmeempfindliche G36-Sturmgewehr als einsatzuntauglich bewertet. Und als ob das nicht schon genug wäre, munkelt man nun, dass es auch beim ebenfalls von Heckler&Koch hergestellten neuen Maschinengewehr Probleme mit der Schussgenauigkeit gibt.

Im Sommer 2014 hatte das Ministerium das MG 5 noch als eine »sehr funktionsfähige und zuverlässige Waffe« beschrieben und wohl sogar daran geglaubt, weshalb man im März die erste große Tranche von 1215 MG 5 für rund 20 Millionen Euro bestellte. Das allerdings sind nur zehn Prozent der Gesamtsumme, die man für weitere Beschaffungen eingeplant hat. Nun verteidigt sich das Verteidigungsministerium mit dem Hinweis, dass man ja mit Heckler&Koch wegen der Streuung beim MG 5 »eine Vertragsanpassung mit Preisreduzierung« ausgehandelt habe. Andere Mängel »Gehäuserisse, Beständigkeit gegenüber Salzwasser, Verschuss Hartkernmunition« seien mittlerweile sogar behoben worden. Zu fragen ist allerdings, warum die Mängel nicht früher bekannt wurden, denn das MG 5 war nicht nur von der Wehrtechnischen Dienststelle 91, sondern auch beim Gebirgsjägerbataillon 231 getestet worden. Auch US-Spezialisten haben das deutsche Maschinengewehr erprobt - und offenbar beizeiten abgewinkt.

Einen Untersuchungsausschuss wird es nach der Absage der Linksfraktion weder in Sachen G36 noch MG 5 geben. Doch da schwebt ja noch die Idee einer Enquetekommission, die der Abgeordnete Leutert in die Debatte geworfen hat. Ein solches Gremium würde im Gegensatz zum Verteidigungsuntersuchungsausschuss öffentlich tagen. Es könnte externen Sachverstand einbeziehen und Vorbild sein zum Durchleuchten der gesamten verkorksten und in der gegenwärtigen europäischen Spannungssituation zunehmend gefährlicheren Rüstungspolitik.

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