Nigerianer hoffen auf Präsident Buhari

Der neue Staatschef muss mit wirtschaftlichen Problemen und gegen die Terrorgruppe Boko Haram kämpfen

  • Markus Schönherr, Kapstadt
  • Lesedauer: 4 Min.
Nigerias neuer Präsident Muhammadu Buhari übernahm am Wochenende die Amtsgeschäfte in dem krisengeplagten westafrikanischen Land und muss nun tief greifende Probleme lösen.

Flüge gestrichen, Banken geschlossen, Radiosender blieben stumm: Nigerias Präsident Goodluck Jonathan übergab am Freitag seinem Nachfolger ein Land im Ausnahmezustand. Er selbst bezeichnete sich einst als »meist umstrittenes Staatsoberhaupt der Welt«. Ein Sprecher des neu gewählten Staatschefs Muhammadu Buhari bekräftigte die Kritik in ungewöhnlichen Worten: Jonathan habe »auf den Stuhl defäkiert, bevor er ihn verlässt«. In Buhari setzen 173 Millionen Nigerianer nun die Hoffnung, dass wieder Normalität in ihren Alltag einzieht und sich das westafrikanische Land von der Terrorsekte Boko Haram befreit.

Seit Wochen befindet sich Nigeria im Griff einer hausgemachten Ölkrise. Die mächtigen Ölimporteure des Landes hatten weitere Lieferungen verweigert, solange die Regierung unter Jonathan nicht ihre ausstehenden Schulden bezahlt. Der Streitpunkt: zwei Milliarden US-Dollar. Jonathans Finanzminister dementierte, mit den Zahlungen im Rückstand zu sein. Der darauf folgende Ölstopp zwang Tankstellen zu schließen und hinterließ Hunderte gestrandete Inlandsflüge. Da bisherige Regierungen verabsäumten, Nigerias Stromnetz auszubauen, sind Geschäfte und auch Behörden auf Dieselgeneratoren angewiesen. So schlossen Banken bereits zu Mittag, mehrere Radiostationen stellten ihren Betrieb ein, im Bundesstaat Lagos erloschen die Straßenlichter und in weiten Teilen des Landes brach das Mobilfunknetz zusammen.

Das Dilemma ist doppelt ironisch: Nicht nur besitzt Nigeria die größte Wirtschaft auf dem Kontinent, zugleich ist es auch Afrikas größter Ölförderer. Weil dem Land Raffinerien fehlen, muss es jedoch den Großteil des Treibstoffs importieren. Zankapfel waren die Förderermittel für Treibstoff: Nigerias Regierung hält den Preis an der Zapfsäule unter dem Marktpreis, die ausstehende Summe zahlt sie an die Importeure. Dass die mächtigen Kartelle genau jetzt ausstehendes Geld einfordern, ist Analysten zufolge kein Zufall: Die Angst sei groß, dass Buhari nach Amtsantritt die Subventionen senkt oder abschafft.

Schließlich einigten sich Behörden und Importeure in der Vorwoche, den Ölfluss wieder aufzunehmen - gegen eine Auszahlung von 800 Millionen US-Dollar. Die mehr als 20 Bankketten waren jedoch weiterhin nur halbtags geöffnet, während Schulen in weiten Teilen des Landes ganz geschlossen blieben. Laut Medienberichten ist erst in dieser Woche damit zu rechnen, dass wieder alle Städte des Landes über Treibstoff verfügen.

Im März hatte Buhari erneut Geschichte in Nigeria geschrieben, als der ehemalige Armeegeneral drei Jahrzehnte nach seinem Militärputsch die Wahl gegen Amtsinhaber Jonathan gewann. Der hatte seinen Sieg anerkannt und dem 72-Jährigen gratuliert. Zwei Monate später beschuldigte Buharis All Progressives Congress (APC) Jonathan der »Sabotage«. Er hinterlasse seinem Nachfolger eine »Nation in tiefer Krise«, die mit 60 Milliarden US-Dollar verschuldet sei. Jonathans People’s Democratic Party (PDP) verteidigt sich, stamme der Großteil der Staatsschulden doch von jenen Bundesstaaten, die in den letzten Jahren von der Opposition regiert worden seien. Die APC wolle den Eindruck erwecken, sie erbe ein »komplett zusammengebrochenes System«.

Der Großteil der Nigerianer ignorierte den innenpolitischen Disput. Er setzt stattdessen die Hoffnung in den angehenden Präsidenten, den krisenzerrütteten Ölsektor zu stabilisieren und das Land zu befrieden. Ab 1983 herrschte Buhari 20 Monate lang mit eiserner Faust. Er betrieb eine afrikanisch-nationalistisch geprägte Politik, bis er 1985 selbst aus dem Amt gehebelt wurde. Während des jüngsten Wahlkampfs gestand Buhari Fehler seiner ersten Regierung ein und prophezeite eine demokratische Zukunft. »Er versprach, Gewalt, Korruption und Ungerechtigkeit zu bekämpfen, die Nigerianer täglich plagen«, sagt Mausi Segun von Human Rights Watch. »Will er die Hoffnungen nicht enttäuschen, sollte Buhari seine Versprechen schnell in konkrete Taten umsetzen und die Menschenrechte verbessern.«

Gute Chancen werden ihm im Kampf gegen die radikal-islamistische Boko Haram zugebilligt. Unter Jonathan hatte die Armee die Gotteskrieger in den letzten Monaten zwar aus den meisten Städten vertrieben, erwies sich jedoch zuvor jahrelang als machtlos gegen die Terroristen. Wie bedrohlich die Lage ist, zeigte ein Selbstmordanschlag nur einen Tag nach der Amtseinführung des neuen Präsidenten: Bei der Explosion in einer Moschee in Maiduguri im Nordosten des Landes wurden mindestens 41 Menschen getötet. Der Anschlag wurde Boko Haram zugeschrieben. Seit 2009 forderte deren Terror mehr als 15 000 Menschenleben.

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