NSA-Reform mit Leerstellen

US-Senat verabschiedet neues Überwachungsgesetz

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach langen Kontroversen im Kongress ist die von US-Präsident Obama versprochene NSA-Reform unter Dach und Fach. Der Senat stimmte mit breiter Mehrheit für den sogenannten USA Freedom Act.

Es ist ein Kompromiss, mit dem viele Beteiligte kaum richtig zufrieden sind. Aber er füllt ein aus Washingtoner Sicht gefährliches Vakuum. Der Senat stimmte am Dienstag mit 67 zu 32 Stimmen für ein Gesetz, das für die einen die seit den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden vor zwei Jahren notwendige und überfällige Reform der National Security Agency (NSA) ist und anderen wie dem republikanische Mehrheitsführer Mitch McConnell gleich als »Zerlegung unserer Anti-Terror-Werkzeuge« gilt. Vor drei Wochen hatte schon das Repräsentantenhaus, die zweite Kongresskammer, das Placet gegeben. Inzwischen setzte Präsident Barack Obama das von ihm angestrebte Gesetz mit seiner Signatur in Kraft.

Dieser sogenannte Freedom Act wurde seit Anfang 2014 im Parlament diskutiert, doch immer wieder blockiert - kurz vor Ablauf der geltenden Regelungen aus dem Jahr 2001 durch heftige politische Meinungsverschiedenheiten in der republikanischen Senatsfraktion. Nach den Anschlägen vom 11. September hatte die NSA im Rahmen des Patriot Act die Befugnis zur pauschalen präventiven Überwachung erhalten. Zum Schluss musste der größte Geheimdienst der USA die massenhafte Sammlung der Telefondaten von US-Bürgern sogar kurzzeitig unterbrechen, weil ihm die gesetzlichen Grundlagen fehlten.

Nun darf die NSA wieder die Festnetz- und Handyanschlüsse von Millionen Mitbürgern überwachen, aber die sogenannten Metadaten nach einer halbjährlichen Übergangszeit nicht mehr selbst speichern. Dafür sind künftig die privaten Telefongesellschaften wie Verizon, AT&T, Sprint oder T-Mobile zuständig. Das zuständige Geheimgericht Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC) entscheidet dann im Einzelfall, ob die Agency diese Daten abfragen darf. Voraussetzung ist ein begründeter Terrorverdacht. Was aber, fragt das »Wall Street Journal«, wenn beispielsweise Handy-Tarife die 18-monatige Speicherpflicht gar nicht hergeben? Das ist laut Experten nur eine der noch offenen verfahrenstechnischen Fragen.

Zugleich haben nun Firmen mehr Auskunftsrechte und Bürgerrechtler mehr Möglichkeiten, FISC-Entscheidungen anzufechten. Die weltweit kritisierte NSA-Spionage im Ausland allerdings ist von den neuen Regelungen unberührt. Abschnitt 702 des Foreign Intelligence Surveillance Act erlaubt es der NSA weiter, Telefonate und E-Mails von Nichtamerikanern auszuspähen, und auch das PRISM-Programm zur Überwachung und Auswertung elektronischer Medien und elektronisch gespeicherter Daten kann ohne Änderungen fortgeführt werden.

Die Enthüllungsplattform »The Intercept« beklagt zwar, dass das meiste der von Snowden enthüllten »aggressiven Überwachung« noch immer nicht eingeschränkt werde, doch spricht auch der Whistleblower von einem »historischen« Gesetz. Für Jameel Jaffer von der Bürgerrechtsorganisation ACLU ist es die wichtigste Reform seit knapp vier Jahrzehnten und ein Beleg dafür, »dass Amerikaner nicht mehr bereit sind, den Geheimdiensten einen Blankoscheck auszustellen«.

Inzwischen hat sich in den Vereinigten Staaten eine neue Protestform unter dem Motto »Fight for the Future« entwickelt: Tausende Webseiten blockieren den Zugriff auf ihre Inhalte für IP-Adressen des Kongresses.

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