Ein ärztliches Attest spaltet die LINKE

Die Gesundheit eines Abgeordneten der Freien Wähler behinderte einen Büroumzug im Landtag

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.
Die drei Abgeordneten der Freien Wähler sind als Gruppe anerkannt und bekommen deswegen mehr Räume im Landtag. Diese Räume sind aber auf zwei Etagen verteilt.

Sie konnten zueinander nicht kommen, das Stockwerk war viel zu tief. Im Potsdamer Landtag hängt der Haussegen schief zwischen Linksfraktion und den drei Abgeordneten der Parlamentsgruppe Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegungen/Freie Wähler (BVB). Denn die BVB-Gruppe hat jetzt verhindert, dass die LINKE-Abgeordneten alle auf einem Flur sitzen dürfen.

Nach der Landtagswahl im September 2014 hatte die Landtagsverwaltung den drei BVB-Abgeordneten, die als fraktionslos galten, je ein Zimmer auf dem Flur der Linksfraktion im zweiten Stock zugewiesen. Einige LINKE-Abgeordnete mussten dafür eine Etage höher ziehen, in den dritten Stock, waren also von ihrer Fraktion räumlich abgeschnitten.

Nun hatten die BVB-Abgeordneten für sich einen Gruppenstatus durchgesetzt, was ihnen neben ihren drei Stübchen drei weitere Zimmer für Mitarbeiter und Besprechungen zugesteht. Daher hatte die Landtagsverwaltung ein neues Raumkonzept erarbeitet, wonach die BVB-Gruppe ihre sechs Zimmer zusammenhängend und nebeneinander liegend im dritten Stock nutzen könnte. Für die zusätzlichen drei BVB-Räume haben SPD, LINKE und CDU je einen Raum abgetreten. Zumindest drei LINKE-Abgeordete wären dann wieder gemeinsam auf der Ebene des zweiten Stocks mit ihren Fraktionskollegen und Mitarbeitern vereint. Aber Pustekuchen. Den BVB-Abgeordneten sei der dritte Stock »zu abgelegen«, heißt es. Wohlgemerkt sei das die Etage, in der die CDU-Fraktion unterkam, ohne sich zu beschweren.

Wochenlang geschah erst einmal überhaupt nichts. Angeblich wurde sogar ein ärztliches Attest vorgelegt, dem zufolge einem BVB-Abgeordneten aus medizinischen Gründen nicht zugemutet werden könne, das zugewiesene Zimmer im dritten Stock zu beziehen.

Die LINKE-Abgeordneten Anita Tack und Volkmar Schöneburg hatten schon alles zusammengepackt und für den Umzug vorbereitet, als es hieß: April, April. Nun sitzen im zweiten Stock LINKE und BVB, im dritten Stock BVB und LINKE. So hat es das Präsidium jetzt bestätigt. Für Linksfraktionsgeschäftsführer Thomas Dormes ist das Benehmen der BVB »sehr unkollegial«. Auf die Frage, warum der Landtag sein neues Raumkonzept nicht einfach durchgesetzt habe, sagte Domres, »dazu wären Zwangsmaßnahmen nötig gewesen«. Das sei für niemanden denkbar. Vor diesem Hintergrund habe Landtagspräsidentin Britta Stark (SPD) jetzt offiziell bestätigt, dass die BVB-Abgeordneten auf dem LINKE-Flur bleiben dürfen.

Zur gereizten Stimmung hat ferner beigetragen, dass die BVB am 1. Juni, also am internationalen Kindertag, durch die Glastüren Fotos der LINKE-Büros anfertigte und im Internet veröffentlichte. Damit wollte die BVB anprangern, dass SPD und LINKE den Kindern, die den Landtag an diesem Tage besuchten, Süßigkeiten und Popcorn angeboten haben, während für die vorbildliche BVB-Gruppe natürlich nur gesunde Kost in Frage kam. Domres beschwert sich: »Was ist das für ein Niveau!«

Möglicherweise ist das ganze Theater nur eine Retourkutsche dafür, dass die BVB mit den Einzelheiten ihres Gruppenstatus’ nicht zufrieden ist. Weil laut brandenburgischem Wahlgesetz ein erobertes Direktmandat die Fünf-Prozent-Hürde außer Kraft setzt und der BVB-Kandidat Christoph Schulze (ehemals parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion) ein Direktmandat gewann, zogen mit Schulze zwei weitere Mitstreitern ins Parlament ein. Drei Abgeordnete können keine Fraktion bilden, aber eine parlamentarische Gruppe. Der Landtag legte fest, dass einer Gruppe pro Jahr 160 000 Euro für ihre Arbeit zugestanden werden. Geregelt wurde auch die Redezeit der drei BVB-Abgeordneten (pro Sitzungstag 30 Minuten), ferner ihr Recht, kleine Anfragen zu stellen. Als Gruppe können sie aber weiterhin keine große Anfrage stellen und haben auch keinen Zugang zum parlamentarischen Beratungsdienst.

Die BVB-Abgeordneten bombardieren die Landtagsverwaltung unablässig mit Forderungen. Sie gelten im Parlament inzwischen als selbstverliebt. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, der Abgeordnete Péter Vida beschäftige die Parlamentsverwaltung allein mehr als 50 andere Abgeordnete zusammen.

Vida zeigte sich schockiert über die Darstellung des Raumstreits. Er betonte, seiner Gruppe sei ein Beratungsraum für acht Personen versprochen worden. Dafür habe man dann aber das Einzelzimmer der Abgeordneten Anita Tack nutzen sollen, das kleiner sei als zum Beispiel das Zimmer des Fahrers der SPD-Fraktion. Die BVB-Gruppe habe Gegenvorschläge gemacht und hätte sich auch mit fünf Zimmern begnügt, wenn eines davon groß genug für Beratungen gewesen wäre, sagte Vida. Alles sei abgelehnt worden. Zu dem Attest wollte sich Vida nicht äußern.

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