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Dauerfeuer auf die Westverwandschaft

  • Lesedauer: 2 Min.

Was dem Westdeutschen seine Kleinstadtjugend, ist dem Ostdeutschen seine Kreisstadtjugend. Für die um 1970 Geborenen gab es als Entschädigung für das kleinbürgerliche Provinzgrau in Artern, Hagenow oder Wanzleben, wo die Fassaden der Sieger der Geschichte bröckelten, noch einen Systemwechsel als biografisches »Incentive« dazu - ihre Westäquivalente der Generation Golf versuchten im bräsigen Kontinuum nach dem Anschluss von Neufünfland gar nicht erst, sich irgendeinen biografischen Bruch anzudichten.

Nils Heinrich hat die Wende gut überstanden - zeigte die ihm doch gleich auf, wo es ab jetzt langgeht: Das alte System sorgt für die Ausbildung zum Konditor, das neue für die Ausbeutung als Zivildienstleistender. Obwohl er eine gewisse Militanz nicht leugnen kann: »Mit halbautomatischen Waffen schossen wir auf Pappkameraden, die Westdeutsche darstellten. Wir schossen quasi auf unsere eigenen Westverwandten.« Überwindung brauchte es nur kurz: »Wenn man allerdings solche Westverwandten hatte wie ich, dann überlegte man nicht lange. Sondern hielt drauf und drückte ab. Nachdem man den Dauerfeuermodus eingestellt hatte.«

Der 1970 geborene Heinrich erzählt seine Geschichten und Gedanken bis heute in Programmen, auf Lesebühnen und neuerdings auch im Radio - im Westdeutschen Rundfunk - druckreif und hörbar. Ob er das hüben oder noch drüben gelernt hat, ist dabei irrelevant. stf

Foto: Thorsten Wulff

Nils Heinrich »Wir hatten nix - nur Umlaute«, Mehringhof-Theater, Gneisenaustraße 2a, Kreuzberg, 17. bis 20. Juni, jeweils 20 Uhr

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