»Ich identifiziere mich als schwarz«

Rachel Dolezal enthüllt ihre selbst gewählte kulturelle Identität

  • Elsa Koester
  • Lesedauer: 3 Min.
Die schwarze US-Bürgerrechtsaktivistin Rachel Dolezal wurde biologisch als weiße Frau geboren, erklärt jetzt aber, sich als Schwarze zu fühlen. Sie tritt damit eine Debatte über ethnische Identitäten los.

Die umstrittene US-Aktivistin Rachel Dolezal, die als biologisch Weiße geboren wurde und ein Leben als schwarze Bürgerrechtsaktivistin führt, hat ihre selbst gewähltes Schwarzsein in einem Interview erklärt. »Ich identifiziere mich als schwarz«, sagte sie am Dienstag Morgen in der »Today-Show« dem US-Sender NBC, und das sei schon immer so gewesen. Bereits mit fünf Jahren habe sie Bilder von sich selbst gezeichnet, »mit einem braunen Stift, nicht mit einem pfirsichfarbenen, und mit schwarzgelockten Haaren«.

Der Fall der 37-Jährigen Dozentin und Künstlerin sorgt seit vergangener Woche in den USA für Schlagzeilen. Ihre leiblichen Eltern hatten angegeben, ihre Tochter sei weiß, ihre Vorfahren stammten aus Deutschland, Schweden und Tschechien. Die Eltern zeigten lokalen Medien die Geburtsurkunde und Kinderfotos, die ein blondes, hellhäutiges Mädchen zeigen. Heute tritt Dolezal mit dunklem Teint und krausem Haar auf.

Dolezal vertrat in der Stadt Spokane im Bundesstaat Washington für die Organisation National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) die schwarze Gemeinde, weil sie sich seit Jahren für die Anerkennung der Normalität multikultureller Patchworkfamilien einsetzt. Dolezal selbst hat vier schwarze Adoptivgeschwister. Für einen der Brüder ist ihr die Vormundschaft übertragen worden, sie bezeichnet ihn als ihren Sohn.

Den Vorsitz der NAACP legte sie am Montag nieder. Zu dem Kinderfoto sagte die Aktivistin, das Mädchen darauf sei »als Weiße identifizierbar von denen, die es sehen«. Die Reaktionen rund um ihre Person bezeichnete Dolezal als »boshaft unmenschlich«. Sie hoffe, dass ihr Fall dazu beitragen werde, zum Kern von Definitionen wie »Rasse, Ethnie, Kultur und Selbstbestimmung« vorzustoßen.

Nach dem postmodernen »Gender trouble« der 90er Jahre tritt Rachel Dolezal damit einen ordentlichen »Race trouble« los. Ist Rachel Dolezal die schwarze Chelsea Manning? Sind Identitäten der Hautfarbe und Ethnie genau so frei wählbar wie das Geschlecht? (Lesen Sie dazu Jürgen Armendts Kommentar »Weiße Schwarze«.) Das so genannte »Blackfacing«, also das schwarze Anmalen weißer Gesichter in Film, Theater oder von Komikern, wird in der Kulturdebatte zurecht als rassistisch abgelehnt. Schwarzsein ist keine (abwaschbare) Hautfarbe: Dazu gehört die jahrhundertelange Unterdrückung, Ausbeutung und Diskriminierung durch Weiße, die Sklaverei und die strukturelle soziale Ungleichheit. Doch Rachel Dolezal hat sich nicht als Schwarze verkleidet. Sie fühlt sich als Schwarze und gibt an, durch eigene Leidenserfahrungen ein »moralisches Recht« dazu erworben haben, mit allen Diskriminierungserfahrungen, die dazu gehören. So habe die Dozentin bereits des öfteren rassistische Drohungen erhalten.

Menschen, denen bei ihrer Geburt ein biologisch männliches Geschlecht zugewiesen wird, und dann ihre weibliche Identität durchsetzen, wird das Recht darauf auch nicht mit dem Verweis auf jahrhundertelange Unterdrückung der Frau abgesprochen. Sie zählen sich zur Geschichte der Frau mit allen dazugehörigen Vor- und Nachteilen. Das muss auch für andere kulturell zugeschriebene, gesellschaftlich an biologische Merkmale gekoppelte Identitäten möglich sein. Geschlecht ist eine kulturell und sozial konstuierte Kategorie. Gleiches gilt für die Aufteilung von Menschen entlang ihrer Hautfarbe oder Herkunft. Also muss beides auch dekonstruierbar, veränderbar, wählbar sein. Rachel Dolezal ist Schwarze, nur biologisch nicht. Sie zitiert ihren Sohn daher mit den treffenden Worten: »Mama, du bist rassisch gesehen ein Mensch und kulturell gesehen schwarz.«

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