Eine Bude für Bollhagens Nachlass

Neues Museum in Velten präsentiert den Nachlass der berühmten Keramikerin

Muster und Einzelstücke sind im Hedwig-Bollhagen-Museum zu bewundern, Serienproduktion zeigt das benachbarten Ofenmuseum.

Ein kleines Häkchen in der Signatur »HB« bedeutet: Dieses Stück stammt nicht nur aus den HB-Werkstätten in Marwitz, sondern die berühmte Keramikerin Hedwig Bollhagen (1907-2001) hat es eigenhändig gefertigt. Das im Hedwig-Bollhagen-Museum in Velten an die Wand gemalte »HB« ist mit dem Häkchen versehen. Schließlich wird hier jetzt der Nachlass der Künstlerin gezeigt - Muster und Einzelanfertigungen, auch Arbeiten anderer Keramiker aus Bollhagens ganz persönlicher Sammlung. Es waren die Dinge, die in ihrem Wohnzimmer im Regal standen, wie Museumschefin Nicole Seydewitz erklärt.

Am Donnerstag wurde das Museum nach jahrelangen Vorüberlegungen und Vorarbeiten endlich eröffnet. Für 1,8 Millionen Euro wurde die Remise der benachbarten Ofenfabrik Schmidt, Lehmann & Co. umgestaltet und mit einem Anbau versehen. Oben befindet sich die Dauerausstellung, unten die Kasse. Ab jetzt wird dort auch der Eintritt für das nebenan in der Fabrik untergebrachte Ofen- und Keramikmuseum bezahlt. Zusammen fünf Euro sind zu entrichten für den Besuch der nun miteinander verbundenen Museen. »Der Standort soll in Gänze ein Besuchermagnet werden«, wünscht sich Bürgermeisterin Ines Hübner (SPD).

Der schriftliche Nachlass Bollhagens befindet sich im Landeshauptarchiv in Potsdam. Die rund 1600 Objekte aus dem Nachlass erhielt das Museum als Dauerleihgabe von der Hedwig-Bollhagen-Stiftung. Etwa ein Viertel der Objekte werden in der Dauerausstellung gezeigt. Daneben verfügte das Museum sowieso schon über 500 Erzeugnisse aus der HB-Serienproduktion. Diese werden weiterhin im Ofenmuseum präsentiert.

Der Clou an dem neuen Museum sind die geschickt unter den Dachfenstern platzierten Vitrinen, die stets genug Tageslicht hereinlassen. Lampen für dunkle Wintertage sollen erst noch nachgerüstet werden. Gewöhnlich verhängen Kunstmuseen die Fenster und beleuchten die Exponate, erinnert der Fördervereinsvorsitzende Udo Arndt. Auch in anderer Hinsicht unterscheidet sich das HB-Museum. Hier gebe es »60 Meter Bank immer an der Wand lang«, erläutert Arndt. Üblich seien Sitzgelegenheiten in der Mitte. Museumschefin Seydewitz orientierte sich bei der Anordnung am »Fadenkaro«, der Verzierung eines HB-Tellers, den Bollhagen 1929 entworfen hatte.

Nicht mehr Licht bringt die Dauerausstellung in die Frage, ob die Übernahme der Marwitzer Werkstätten 1934 durch Hedwig Bollhagen und ihren anfänglichen Geschäftsführer Heinrich Schild als früher Fall einer Arisierung zu werten sei. Schild war bereits seit 1932 NSDAP-Mitglied. »Wir forschen nicht in diesem Bereich - können nicht forschen, weil wir ja den schriftlichen Nachlass nicht hier haben«, sagt Arndt. »Wir kennen nur das Gutachten des Zentrums für Zeithistorische Forschung.« Historikerin Simone Ladwig-Winters war 2008 zu dem Schluss gekommen, Bollhagen habe von den antijüdischen Rahmenbedingungen profitiert, »sie aber nicht gezielt zu ihrem Vorteil genutzt«. Diese Passage wird in der Ausstellung zitiert und mit dem Hinweis versehen, das Gutachten könne im Hause eingesehen werden. »Mehr wissen wir auch nicht«, sagt Arndt. Ein extra Kabinett zu diesem Kapitel einzurichten, wäre ein unfairer Umgang mit der Verstorbenen gewesen, meint Arndt. Das Werk Bollhagens stehe für sich.

HB sei Zeitzeugin unterschiedlicher politischer Systeme gewesen, die ihr schöpferisches Wirken beeinflussten, heißt es. So äußerte 1962 der Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht (SED) beim Rundgang in der 5. Kunstausstellung der DDR sein Missfallen über Formen und Farben dort gezeigter Erzeugnisse aus den HB-Werkstätten. In einer dadurch wiederbelebten Formalismusdebatte sah das damalige SED-Zentralorgan »Neues Deutschland« einen »Hang zum kalten Ästhetizismus, zu farbloser Eintönigkeit und Verarmung der künstlerischen Formen bis hin zum nackten Funktionalismus«.

Das Geschirr blieb aber beliebte »Bückware«, die »unter dem Ladentisch verkauft« wurde, wie man in der DDR sagte. Es war also oft nur mit Beziehungen zu erhalten. Materialengpässen begegnete HB mit Improvisation, wobei zuweilen überzeugende Lösungen entstanden. 1972 wurden die HB-Werkstätten verstaatlicht. Bollhagen gewann dem sogar gute Seiten ab, war sie doch nun die unternehmerische Verantwortung los und konnte sich der künstlerischen Leitung widmen. Außerdem erhielten die Beschäftigten im volkseigenen Betrieb einen höheren Tariflohn.

Nach anfänglichem Zögern wegen ihres hohen Alters beantragte die Keramikerin 1991 die Rückübertragung ihrer »Bude«, wie sie liebevoll sagte. Sie wollte den Betrieb so durch die Wirrnisse der Nachwendejahre retten. 2001 starb Bollhagen. Sie wurde in ihrem Geburtsort Hannover begraben. Die Werkstätten in Marwitz produzieren weiter - drei Kilometer vom Veltener Museum entfernt.

HB-Museum, Wilhelmstraße 32 in Velten, Di. bis Fr. von 11 bis 17 Uhr, Sa. und So. von 13 bis 17 Uhr

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