Polizeiobermeister Schmidt

Regierungsbericht sieht keine Probleme mit den 2013 eingeführten Namensschildern

Das Land Brandenburg hat die weitestgehende Regelung zur Kennzeichnungspflicht von Polizisten. Sie wird bestimmt verlängert.

Fische können sowieso nicht lesen. Polizeitaucher in ihren Neoprenanzügen sind in Brandenburg von der Kennzeichnungspflicht befreit. Ebenso die Kriminalisten, die Personenschützer und die Kollegen der Spezialeinheiten und der Hubschrauberstaffel. Wer im Innenministerium tätig ist oder an einer anderen Stelle ohne Kontakt zum Bürger, kann das seit dem 1. Januar 2013 verbindliche Namensschild auch weglassen. Bei den Einsatzhundertschaften, die bei Demonstrationen eingesetzt werden, tritt an die Stelle des Namensschildes eine fünfstellige Ziffer auf dem Rücken. Anhand dieser Ziffer kann der einzelne Polizist identifiziert werden.

Polizisten haben seit Einführung der Kennzeichnung 180 Namensschilder verloren. Die zuerst ausgelieferten Magnetschilder fielen bei dicker Kleidung oft ab, wenn im Streifenwagen der Sicherheitsgurt gelöst wurde. Es gibt auch Namensschilder, die mit einer Schlaufe oder einer Nadel an der Uniform befestigt sind. Mit den Nadeln haben sich Beamte vereinzelt in Finger oder Brust gepikt.

Ansonsten scheint es mit der Kennzeichnungspflicht keine Probleme zu geben. Besondere Vorkommnisse sind dem Innenministerium nicht bekannt. Als »unbegründet erwiesen« haben sich die im Vorfeld geäußerten Bedenken, es könnte zu mehr Übergriffen kommen und zu mehr unbegründeten Strafanzeigen gegen Polizisten. So steht es in einem Bericht der Regierung, der Ende der Woche im Landtag behandelt wird.

Mit Klettschildern oder Flauschfeldern könnten Stiche und Abschürfungen ausgeschlossen werden. Ihre Einführung werde derzeit diskutiert, heißt es in dem Bericht. Nur zwei Polizisten »haben sich gegen die Kennzeichnungspflicht rechtlich zur Wehr gesetzt«. Ein Kollege klagte gegen das Namensschild, ein anderer gegen die Rückennummer. Die beiden Verfahren sind beim Verwaltungsgericht Potsdam anhängig und noch nicht entschieden. »Weit überwiegend« werde die Kennzeichnung von den Polizisten aber »angenommen«, so der Bericht.

Diese Darstellung ärgert Michael Peckmann. Er ist Sekretär der brandenburgischen Gewerkschaft der Polizei (GdP). »Das sind Musterklagen und das wissen die«, sagt Peckmann, »Musterklagen stellvertretend für alle Polizeivollzugsbediensteten, die nicht einverstanden sind, und das ist die übergroße Mehrheit.« Die Schilder werden »nicht engagiert getragen«, bemerkt Peckmann. Oft werde vergessen, sie anzustecken. Der Gewerkschaftssekretär verweist noch einmal auf mögliche Bedrohungen durch organisierte Kriminelle. Sei der Name bekannt, lasse sich dieser schnell googeln und der Beamte samt Wohnort identifizieren - zum Beispiel, wenn der Polizist in einem Sportverein aktiv sei. Auch die Familie könnte mit hineingezogen werden. Es habe Fälle gegeben, in denen Straftäter drohten: »Wir kriegen raus, wo du wohnst!« Das kam allerdings schon vor der Kennzeichnungspflicht vor. Einen konkreten Zwischenfall, der mit einem Namensschild zusammenhängt, vermag Peckmann gegenwärtig auch nicht zu nennen.

Die Kennzeichnungspflicht ist unbefristet, aber die zugehörige Verwaltungsvorschrift würde Ende 2018 auslaufen. Über ihre Weitergeltung »ist rechtzeitig zu entscheiden«, vermerkt der Regierungsbericht. »Inhaltlich wird nach derzeitigem Stand kein Änderungsbedarf gesehen.«

Der Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg (LINKE) meint: »Es sind keine Gründe erkennbar, die Kennzeichnung wieder abzuschaffen.« Scharfenberg freut sich, »weil der Bericht unterstreicht, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben«. Der Bericht sage eindeutig, »dass sich Ängste und Befürchtungen nicht bestätigt haben«. Der Abgeordnete erinnert, die Kennzeichnung sei als Misstrauensbeweis hingestellt worden. Im Gegenteil sei sie aber ein Beweis des Vertrauens der Politik in die gute Arbeit der Polizei gewesen. Tatsächlich habe sich gezeigt, dass Anzeigen gegen Polizisten und Beschwerden über Beamte nicht explosionsartig zugenommen haben.

Bei der Kennzeichnungspflicht hat Brandenburg eine Vorreiterrolle übernommen. Es hat die »weitestgehende Regelung«, wie Scharfenberg betont. In anderen Bundesländern waren bereits Nummern umstritten, Brandenburg führte gleich Namensschilder ein. Lange hatte sich die oppositionelle Linksfraktion um die Kennzeichnung bemüht, die eine typisch linke Forderung ist. 2009 verhandelte die LINKE die Einführung in den Koalitionsvertrag mit der SPD hinein. Da war von einer Kennzeichnung die Rede, die »eine individuelle Feststellung im Einsatz handelnder Polizisten« ermögliche. Dafür hätten Ziffern ausgereicht. Dann ergab sich aber überraschend die Chance, Namensschilder einzuführen. Ausgerechnet die CDU brachte einen entsprechenden Gesetzentwurf ein, wo sich diese Partei doch in anderen Bundesländer an die Spitze der Kennzeichnungsgegner setzte. Seite 11

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