Bildungsprojekt vor dem Aus

Medienhof in Wedding ohne Finanzierung

Das Hangeln von Projekttopf zu Projekttopf kennen viele freie Bildungsträger. Nun soll einer der größeren in Berlin-Wedding schließen, weil das Geld ausgeht.

Herbert Weber ist einer, der braucht eigentlich kein Megafon, damit ihm 40 Schüler zuhören. Der 50-Jährige schnappt sich trotzdem das Gerät: »Ihr wisst ja, warum wir heute hier sind. Den Medienhof wird es ohne Eure Hilfe bald nicht mehr geben.« Weber ist Leiter des Bildungszentrums im Berliner Stadtteil Wedding im Bezirk Mitte. Der Soldiner Kiez zwischen Koloniestraße, Osloer- und Wollankstraße hat eine der höchsten Arbeitslosenquoten der Stadt, die Polizei kooperiert mit Jugendprojekten, um irgendwie Zugang zum Quartier zu bekommen.

Mitten im sogenannten Brennpunk bietet der Medienhof in der Prinzenallee an vier Tagen in der Woche Nachhilfeunterricht und Hausaufgabenbetreuung an. »Wenn die Kinder eine Aufgabe im Biounterricht lösen sollen und nicht wissen, was ›Pansen‹ für ein Wort ist, dann sehen wir täglich, wie wichtig unsere Arbeit ist«, sagt Weber. Jede Woche kommen rund 70 Kinder zu den Nachhilfestunden. Weber hat sich mittlerweile in Rage geredet, denn der Medienhof muss aller Voraussicht nach Ende August schließen. Dann laufen die Lottomittel aus, aus denen das Projekt bisher 17 Nachhilfelehrer und die laufenden Kosten finanziert hat. »Wir müssen uns von einer unsteten Projektfinanzierung zur nächsten hangeln«, sagt Weber. 2005, als der Medienhof gegründet wurde, kam das Geld für drei Jahre von der privaten Mercator Stiftung. Zusätzlich gab es vom Quartiersmanagement und dem Landesprogramm »Aktionsräume Plus« Gelder. 2013 sprang dann die Lottostiftung mit 180 000 Euro für zwei Jahre ein. Nun müssen bis Ende des Jahres rund 10 000 Euro zusammenkommen, damit sich der Medienhof wenigstens bis zum nächsten Projekttopf retten kann. Für Januar 2016 hat Weber einen Antrag bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gestellt, um Gelder aus dem Programm »Bildung im Quartier« zu bekommen. »Die Chancen stehen gut, wir sind etabliert und haben gute Referenzen eingereicht«, sagt er. Garantieren kann ihm aber niemand, dass es klappt.

Für die nötigen 10 000 Euro hat sich Weber etwas einfallen lassen. Am Donnerstagmorgen steht er zusammen mit drei Schulklassen auf dem Sportplatz des Poststadions in Tiergarten und gibt Regieanweisungen. Ein Videofilm soll entstehen, der in allen Yorck Kinos und den Tilsiter Lichtspielen laufen und an dessen Ende ein Spendenkonto eingeblendet wird. Erste Szene: Ramina, ein Mädchen mit Kopftuch steht auf der Tartanbahn und soll 100 Meter gegen einen Jungen laufen. »Wo ist denn der Blonde hin?«, ruft Weber. Er hat den Spot geschrieben und nur 40 Sekunden Zeit, seine Botschaft rüberzubringen. Ramina mit Kopftuch aus Wedding läuft also gegen den blonden Jungen aus Weißensee. Ramina startet zehn Meter weiter hinten, auf ihrem Weg stehen Hürden, auf der anderen Bahn nicht. Am Ende gewinnt Ramina natürlich und wird von der jubelnden Menge weggetragen. »Dann kommt der Schlusssatz: Glauben Sie an Wunder oder sind Sie für gerechte Bildungschancen?«. Weber wischt mit der Hand den Schriftzug in die Luft.

Walid geht in die 10. Klasse der Herbert-Hoover-Schule und kommt seit über einem Jahr zum Medienhof. In seinem einstigen Hassfach Mathe hat er mittlerweile eine zwei und seinen Notenschnitt von 3,1 auf 2,5 verbessert. »Ich will Abitur machen, wenn es den Medienhof nicht mehr gibt, weiß ich nicht, ob ich das schaffe.«

Infos: www.medienhof-wedding.de

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