Lasst Fernbusse durch Frankreich rollen

Der Verkehrssektor wird weiter liberalisiert - Anbieter wollen mit Kampfpreisen die Konkurrenz vertreiben

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch in Frankreich sollen Fernbusse künftig der Bahn Konkurrenz auf Augenhöhe machen. Sie drohen dabei mit Kampfpreisen. Die Großen der Branche stehen bereits in den Startlöchern.

Der Markt für den Fernbusverkehr in Frankreich soll liberalisiert werden. So sieht es das heftig umstrittene Gesetz »für Wachstum, Unternehmenstätigkeit und wirtschaftliche Chancengleichheit« aus der Feder von Wirtschaftsminister Emmanuel Macron vor, das vor wenigen Tagen verabschiedet wurde.

Erstaunlicherweise hört man von der Partei der Grünen oder den Umweltverbänden kaum Kritik an diesem Trend zurück auf die Straße. Schuld dürfte die Staatsbahn SNCF sein, deren Tarife von vielen Franzosen als unsozial und überteuert empfunden werden. Darum haben im Internet Mitfahrvermittlungen großen Erfolg.

Im Busverkehr ist es bislang lediglich erlaubt, in Frankreich Haltepunkte internationaler Linien einzurichten. Dies wurde im vergangenen Jahr von knapp 150 000 Fahrgästen genutzt. Das Potenzial des jetzt vor der kompletten Öffnung stehenden Inlandsmarktes wird auf fünf Millionen Fahrgäste im Jahr geschätzt. »Die Zielgruppe sind vor allem junge Leute, die wenig Geld, und Rentner, die viel Zeit haben«, meint ein Marktexperte. Er rechnet damit, dass mehr als 100 Strecken eingerichtet werden - zunächst oft gleichzeitig durch mehrere Unternehmen, bis der Konkurrenzkampf entschieden hat, wer sich halten kann und wer wieder verschwindet. Die Linien sollen parallel zu den großen Bahnkorridoren führen - beispielsweise von Lille über Paris und Lyon nach Marseille oder von Straßburg über Nancy, Paris und Tours nach Bordeaux. Daneben sollen aber auch Städte miteinander verbunden werden, zwischen denen es heute keine oder nur spärliche Direktverbindungen mit der Bahn gibt.

Der Verteilungskampf, der schon begonnen hat, wird vor allem über den Preis ausgetragen werden. Beispielsweise kostet heute die Bahnfahrt von Paris nach Lyon, die zwei Stunden dauert, zwischen 79 und 110 Euro, während eine Busfahrt hier für 19 Euro angeboten werden soll, die allerdings auch sechseinhalb Stunden dauert. Quer durchs Land sind es von Straßburg nach Bordeaux mit Umsteigen in Paris heute mit der Bahn 96 bis 130 Euro und sieben Stunden, während der durchgehende Bus zwar die doppelte Zeit braucht, dafür aber nur halb soviel kostet.

Alle Unternehmen, die auf dem neuen Markt Fuß fassen wollen, müssen viel Geld in neue, bequeme Busse investieren, um auch durch Komfort zu überzeugen. Dazu gehört die für lange Strecken besonders wichtige Beinfreiheit, ferner hochwertige Sitzbezüge, aber auch Bordvideo mit individuellem Bildschirm sowie WLAN und Steckdosen etwa für den Laptop.

Die Staatsbahn SNCF, die bisher praktisch ein Monopol für die Personenbeförderung im Inland hatte und die durch die Marktöffnung mit einem Umsatzverlust von 200 Millionen Euro pro Jahr rechnet, will das Abwandern von Fahrgästen nicht kampflos hinnehmen. Darum hat sie bereits vor drei Jahren ihre eigene Fernbustochter iDBus gegründet, die mehrere internationale Verbindungen nach Deutschland, die Schweiz, die Beneluxländer und Spanien anbietet. Sie plant für das Inland mindestens 30 Linien. Der teilstaatliche Konzern Transdev, der in Frankreich vielerorts den Nahverkehr betreibt und zudem Teilhaber des internationalen Fernbusnetzes Eurolines ist, will nun auch ein reines Inlandsunternehmen gründen. Geplant ist die Einrichtung von 40 bis 50 Linien. Das britische Unternehmen Stagecoach, das unter der Marke Megabus seit März 2015 eine Linie von London über Paris und Toulouse bis Barcelona sowie eine von Barcelona über Montpellier, Lyon und Mulhouse bis Frankfurt befährt und mit Sonderangeboten für 1 Euro pro Fahrkarte lockt, bereitet ebenfalls Inlandslinien in Frankreich vor.

Auf diesen neuen Markt drängt auch das deutsche Unternehmen Flixbus, das seit dem Zusammenschluss mit MeinFernbus im Januar in der Bundesrepublik Marktführer sowie in Österreich, der Schweiz und den Beneluxländern präsent ist. Auch in Frankreich will Flixbus keine eigene Busse einsetzen, sondern verhandelt zur Zeit mit rund 350 französischen Firmen über einen Vertrag als Subunternehmen und Lizenznehmer.

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