Im Reich des Fischmüllers von der Ilm

Wie aus einem alten Gebäudekomplex in Kranichfeld ein Anziehungspunkt für Fans von Hecht und Zander wurde

  • Harald Lachmann, Kranichfeld
  • Lesedauer: 4 Min.
Einst lag Stedtener Mühle im thüringischen Kranichfeld im Dornröschenschlaf - bis Uwe Müller kam. Heute wird dort klassische Fischerei betrieben, es gibt einen Hofladen, ein Aquarium und vieles mehr.

Der Besitzer der Stedtener Mühle heißt zwar Müller, doch er ist keiner. Er ist Fischer. Und das von der Pike auf, auch wenn er dem einst erlernten Beruf heute nur noch im Nebenerwerb nachgeht. Denn schon zu DDR-Zeiten war Uwe Müller, der heute hier in Kranichfeld zwischen Erfurt und Weimar mit Frau und Tochter lebt, erst zur Gewässeraufsicht gewechselt und 2009 schließlich zur Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie. Doch wer ihn in der Wassermühle besucht, die er ab 1999 mit Gattin Ute Landmann mühsam aus dem Dornröschenschlaf erweckte, spürt: Der 56-Jährige ist dort in seinem Element.

Das Paar sanierte Wohnhaus und Ställe, pflasterte den Hof, bohrte einen Brunnen, installierte eine Pflanzenklär- und eine Regenwasseranlage, erneuerte Wehr und Mühlgraben, pflanzte Bäume. Da auch noch Solartechnik und Holzheizung hinzukamen und das Mühlrad nun als Wasserkraftwerk fungiert, lebt die Familie weitgehend autark. »Nur die Müllabfuhr brauchen wir noch«, sagt Müller, der sich im Hof zudem ein ausgereiftes System an Hälter- und Schaubecken gebaut hat. Es bildet einen wichtigen Stützpfeiler seiner heutigen Nebenerwerbsfischerei.

Was der Thüringer betreibt, ist Fluss- und Seenfischerei im klassischen Sinne. Alle zwei Tage ist er auf dem Wasser, zumeist auf dem nahe gelegenen Stausee Hohenfelden, den er vertraglich bewirtschaftet, sowie auf den Flüsschen Ilm und Mahlgera.

Die Fische, die er im Stausee mit traditionellen Methoden fängt, um sie mittwochs und freitags in seinem Hofladen feilzubieten, sind zugleich Teil einer Biomanipulation. Darunter versteht man, wie er erklärt, eine Biotechnologie zum Steuern von Nahrungsketten in Gewässern. »Denn wenn man den Anteil an Massenfischen verringert, fressen diese auch weniger Zooplankton, so dass diese Kleinlebewesen dann mehr Phytoplankton - also Algen - aus dem See filtrieren können«, erklärt der studierte Fischereiingenieur, der auch Präsident des Thüringer Fischereiverbandes ist. Und dies komme dann der Qualität und Sichttiefe des Sees zugute: »Nicht zuletzt zur Freude der Badegäste.«

Hierzu entnimmt Müller dem Gewässer jährlich rund 1,5 Tonnen Barsche, Plötzen, Bleie und Kaulbarsche. Auch die gefangenen Hechte, Zander, Welse, großen Barsche, Aale und Karpfen werden im Hofladen vermarktet. Für letztere erhöhte er indes die Mindestmaße für den Fang und verlängerte die Schonzeiten: »Damit die Raubfische noch zusätzlich die Massenfische im Zaume halten«, erläutert er. Außerdem dienen ihm Plötze, Kaulbarsch & Co. als Futter für die Gold-, Regenbogen- und Bachforellen in seinen Hofbecken - anstelle industrieller Pellets. Den Forellen gilt ohnehin das besondere Augenmerk des Fischers. Für sie installierte er im früheren Schweinestall der Mühle, den er sich zu einem schicken Fischhaus umgebaut hat, eine Erbrütungsanlage. Den benötigten Laich streicht er von wilden Bachforellen ab, die er hierzu im November den Bächen entnimmt und dann wieder sanft zurücksetzt. Eine aufwendige Sache, die der Bestandserhöhung dient: Müller setzt die jungen Forellen später wieder in die Gewässer aus.

Das Fischhaus beherbergt auch den Hofladen, einen Räucherofen sowie eine sehenswerte Ausstellung »Leben am Fluss«. Dafür hat der Thüringer Gerätschaften zur Seen- und Flussfischerei, zur Teichwirtschaft, zur Forellenproduktion sowie präparierte Wasserbewohner zusammengetragen. Auch die Mühlengeschichte sowie Informationen zur Ilm werden präsentiert.

Zusammen mit einem spektakulären und durchdacht strukturierten Flussaquarium für die heimische Fischwelt - direkt neben dem rauschenden Mühlgraben - dient diese Schau nicht zuletzt auch dem betrieblichen Marketing: Denn da der Fischer mit seinem Hofverkauf nicht allein von der engeren Region leben kann, ist er auf Auswärtige, Schaulustige und durchziehende Wanderer und Radler angewiesen. Als besonderer Hingucker für die Besucher erweist sich dabei eine spiralförmige Metallkonstruktion direkt neben dem Wehr. Diese entpuppt sich als geniale Fischtreppe: platzsparend, kostengünstig und hochgradig funktional, um durchziehenden Ilm-Fischen zügig den Aufstieg vom Unterwasser ins 3,10 Meter höhere Oberwasser des Mühlgrabens zu ermöglichen.

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