Seepferdchen für ganz Große

Viele Erwachsene, so sagen Experten, können nicht oder nur schlecht schwimmen - Kurse wie der in Delmenhorst könnten helfen

  • Lesedauer: 2 Min.
Wenn im Sommer die Massen ans Wasser pilgern, bleiben manche lieber zu Hause - weil sie nicht schwimmen können. Es als Erwachsener zu lernen, ist eigentlich nicht schwerer.

Delmenhorst. Rima Demir steht in ihrem rosafarbenen Bikini am Beckenrand und wirkt nervös. »Ich bin ein bisschen aufgeregt«, sagt sie. Langsam steigt sie die Leiter ins Wasser herab, atmet noch einmal ruhig ein und aus, und schwimmt dann los - den Blick konzentriert auf die gegenüberliegende Seite gerichtet. Kurze Zeit später klettert sie dort Freude strahlend aus dem Becken. Geschafft, beim ersten Mal: Rima Demir hat ihr Seepferdchen bestanden. Mit 39 Jahren.

Auch zwei andere Frauen legen an diesem Tag in der Grafttherme in Delmenhorst (Niedersachsen) ihr erstes Schwimmabzeichen ab. In den vergangenen zehn Wochen haben sie gemeinsam einen Erwachsenen-Schwimmkurs besucht. »In meiner Heimat habe ich schwimmen nicht gelernt«, sagt Demir, die als 18-Jährige von Syrien nach Deutschland kam. Ein Thema, über das man in einem Land, wo die Bewegung im Wasser als zweitliebste Freizeitbeschäftigung gilt, lieber nicht spricht. »Ich habe mich immer so geschämt«, gibt Demir zu. Wie ihr geht es vielen.

Etwa 30 Prozent der Menschen können nach Schätzung der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) gar nicht oder nur schlecht schwimmen. Ein Trend, der sich in Zukunft weiter verschärfen wird. »In vielen Kommunen werden Bäder geschlossen, deshalb lernen viele Schüler nicht mehr schwimmen«, sagt DLRG-Sprecher Achim Wiese. Dazu kommt eine steigende Zahl von Einwanderern, in deren Heimatländern der Sport keine Tradition hat. Und dann gibt es Menschen wie den pensionierten Lehrer in Demirs Kurs, der als Kind ein traumatisches Erlebnis im Wasser hatte und erst jetzt den Mut aufbringt, die Techniken zu lernen.

In Delmenhorst sind Erwachsenen-Schwimmkurse wie im nahe gelegenen Bremen seit Jahren Standard. Doch das sei nicht überall in Deutschland so, sagt Wiese von der DLRG. Weil viele Erwachsene nicht zugeben wollten, dass sie nicht schwimmen können, seien die Kurse nicht so gut gebucht. In Zeiten, in denen die Vereine um Platz in den noch verbliebenen Bädern ringen müssen, bieten diese nach Wieses Einschätzung lieber die gut besuchten Kinder- oder Aquafit-Kurse an.

Die Grundtechnik beherrschen Rima Demir und die anderen Kursteilnehmer nach den zehn Stunden. Doch um richtig gut schwimmen zu können, müssen sie noch viel üben. Demir hat sich vorgenommen, jetzt regelmäßig mit einer Freundin schwimmen zu gehen. Auch die 37-jährige Sia, die ihren Nachnamen nicht öffentlich machen will, will dran bleiben. »Im Urlaub möchte ich gerne im Meer schwimmen.« dpa/nd

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