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Kein Abschluss auf Hawaii

Die Verhandlungspartner konnten sich nicht auf transpazifische Freihandelszone einigen

  • Christian Mihatsch
  • Lesedauer: 4 Min.
Bis zu 40 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung sollten in einer Freihandelszone vereint werden. Nun gehen die Verhandlungen auf bilateraler Ebene weiter.

Es ist ein Rennen gegen den Beginn des US-Wahlkampfs im kommenden Jahr. Die US-Regierung und elf weitere Staaten wollen vorher noch eine Freihandelszone rund um den Pazifik schaffen, die Transpazifische Partnerschaft (TPP). Doch dieses Unterfangen hat am Freitag einen Rückschlag erlitten. Bei Verhandlungen auf Hawaii konnten die Handelsminister der zwölf Länder keine Einigung erzielen. Trotzdem war der neuseeländische Handelsminister Tim Groser nach dem Treffen optimistisch: »Das Unterholz wurde in einer Weise gelichtet, die anderen Ministertreffen meilenweit voraus ist.« US-Unterhändler Michael Froman erklärte unterdessen, dass es auch nach tagelangen Gesprächen noch immer »offene Fragen« gebe. Um diese zu klären, werde es nun Verhandlungen auf bilateraler Ebene geben.

Ihr australischer Kollege Andrew Robb macht derweil die »großen Vier« für den fehlenden Durchbruch verantwortlich. Dies sind die USA, Japan, Kanada und Mexiko. Das angestrebte TPP-Abkommen gilt als die wirtschaftliche Komponente der strategischen Neuausrichtung der USA, der »Hinwendung zu Asien«. Es umfasst rund 800 Millionen Menschen und 40 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Neben den bereits genannten Ländern sollen auch Chile, Peru, Brunei, Malaysia, Singapur und Vietnam teil der geplanten Freihandelszone werden. Die Wirtschaftsmacht China soll nicht dazu gehören.

Das Abkommen konnte wegen Streit bei Agrarprodukten, Autos und dem Patentschutz von Medikamenten nicht fristgerecht abgeschlossen werden. Diese Branchen sind in allen Ländern über ihre Maße einflussreich. Ausschlaggebend für den Erfolg des Handelsabkommens sind aber die strukturellen Änderungen, die durch TPP ausgelöst werden sollen. Dies gilt etwa für Japan: Für den japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe sind die Verhandlungen der dritte Pfeil im Köcher seiner als »Abenomics« bekannten Wirtschaftspolitik. Nach aggressiven Zinssenkungen und großzügigen Ausgabeprogrammen soll die Freihandelszone für die erforderlichen Strukturreformen sorgen. »TPP ist der wichtigste Pfeiler in der Wachstumsstrategie von Ministerpräsident Shinzo Abe. Je schneller es ein Abkommen gibt, desto besser«, so Koya Nishikawa, Leiter der TPP-Arbeitsgruppe in Japans Regierungspartei.

Australien hingegen hofft, mehr Zucker in die USA exportieren zu können. »Man kann den Zuckerexport in die USA nicht von jetzt auf gleich von 87 000 Tonnen auf 1,5 Millionen Tonnen ausweiten, aber wir könnten mehr schaffen, wenn uns ermöglicht wird, am Wachstum teilzuhaben«, erklärte Andrew Robb, dem die heimischen Zuckerproduzenten Druck machen. Der US-amerikanische Zuckermarkt gilt nämlich als Wachstumsbranche. Bisher kann Australien jedoch aufgrund eines Quotensystems nur 100 000 Tonnen des süßen Rohstoffs in die USA liefern. Die Bauern aus Down Under wollen, dass diese Quote im Rahmen des Abkommens auf über 500 000 Tonnen angehoben wird.

Als der größte Gewinner eines TPP-Abschlusses gilt das ärmste Land, das bei den Verhandlungen dabei ist: Vietnam. Falls das Abkommen noch kommt, könnte das Bruttoinlandsprodukt des Landes in den nächsten zehn Jahren um 30 Prozent steigen, hat das Peterson Institute for International Economics, ein US-Think Tank, ausgerechnet. Dies liegt vor allem an der Textil- und Schuhindustrie. Ein zoll- und quotenfreier Zugang zu den Märkten der anderen TPP-Länder wäre ein enormer Vorteil für Vietnam. Zudem hätte das Abkommen weitreichende Folgen für die von Staatsbetrieben dominierte Wirtschaft des Landes. In Vietnam würden auch die Menschenrechte durch das Abkommen gestärkt.

US-Präsident Barack Obama hatte versprochen, TPP würde »das fortschrittlichste Handelsabkommen der Geschichte« werden, wenn es um Arbeits- und Umweltstandards geht. Doch Vietnam kennt bislang keine unabhängigen Gewerkschaften. Schwierigkeiten mit Arbeitnehmerrechten hat zudem das muslimische Sultanat Brunei. Ein Abschluss wäre folglich ein Gewinn für die Arbeiter in diesen Ländern. Bei den Umweltstandards ist insbesondere Peru unter Druck. Dort steht die Abholzung des Regenwalds in der Kritik.

Eine Herausforderung ist der Freihandelsdeal zudem für Malaysia. Das Land bevorzugt systematisch ethnische Malayen zu Lasten der chinesisch- und indischstämmigen Malaysier. Dies gilt insbesondere für Staatsbetriebe und Staatsaufträge. Hier greift wiederum das TPP-Kapitel zu Staatsunternehmen, das die Abschaffung solcher Sonderbehandlung einzelner Gruppen verlangt. Doch in Malaysia ist die Regierung wegen eines Korruptionsskandals angeschlagen. Es bleibt daher abzuwarten, ob die Regierung in Kuala Lumpur sich traut, die Privilegien der Malaien zu beschneiden.

Wann die Verhandlungen weiter gehen werden, ist nicht bekannt. Gary Hufbauer vom Peterson Institute for International Economics mahnt zur Eile: »Ich glaube nicht, dass der Rückschlag in Hawaii tödlich ist, aber ich denke, sie sollten einen Abschluss bis Mitte August schaffen.« Manche Beobachter gehen jedoch davon aus, dass das nächste Treffen erst im November statt findet - nach den Wahlen in Kanada.

Der kanadische Handelsminister Ed Fast lehnt diese Idee aber ab. »Wenn sich unsere Partner wieder treffen, und ich hoffe dies ist sehr bald, wird Kanada wieder als konstruktiver Partner am Tisch sitzen«, erklärte Fast, der jedoch für seine harte Ablehnung der Öffnung des kanadischen Milchmarktes bei den Verhandlungen von der heimischen Gewerkschaft gelobt wird. Solange die Verhandlungen in der Schwebe sind, überschatten sie den Wahlkampf der konservativen Regierungspartei von Stephen Harper.

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