An der Grenze der Kapazität

Ministerpräsident und Bundesinnenminister besuchen Erstaufnahmeeinrichtung des Landes

  • Corinna Buschow
  • Lesedauer: 3 Min.
Von der Situation der Flüchtlinge in der überfüllten Erstaufnahmeeinrichtung Brandenburgs haben sich Thomas de Maizière und Dietmar Woidke bei einem Besuch in Eisenhüttenstadt ein Bild gemacht.

Einladend ist die zentrale Ausländerbehörde Brandenburgs nicht gerade. Eine Schranke versperrt den Zutritt zur Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree). Die Gebäude sind schmucklos, auf dem Gelände sind schattige Plätze und Bänke rar. Flüchtlinge, die hier in Zelten oder in der Turnhalle mit Wellblechdach übernachten müssen, suchen im Freien nach Beschäftigung. Die Wärme drinnen hat sie nach draußen getrieben. Immerhin verpassen sie so den Besuch von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nicht.

Die Politiker wollten sich am Donnerstag ein Bild von der Lage in Brandenburgs Erstaufnahmeeinrichtung machen. Die meisten Flüchtlinge dort kommen aus Syrien. Sie werden sehr wahrscheinlich bleiben dürfen, müssen aber momentan in Eisenhüttenstadt warten, bis ein angemessenerer Platz für sie gefunden ist.

Besonders in den Erstaufnahmeeinrichtungen offenbart sich der derzeitige Mangel an Plätzen für die vielen neu ankommenden Flüchtlinge. Auch in Eisenhüttenstadt wurden Zelte errichtet, weil die Betten in festen Gebäuden längst belegt sind. Nach spätestens drei Monaten, so schreibt es derzeit das Gesetz vor, sollen Flüchtlinge die rein zweckmäßigen Einrichtungen, die nicht viel mehr bieten als ein Bett, Essen und Kleidung, wieder verlassen. Dann werden sie auf die Kommunen verteilt.

Woidke plädierte am Donnerstag dafür, diese Frist aufzugeben und die Verweildauer an der Dauer der Asylverfahren auszurichten. Flüchtlinge, deren Antrag abgelehnt wird, müssten dann gar nicht in die Kommunen geschickt werden, erklärte er. Vielmehr sollen sie dann direkt aus der Erstaufnahme heraus ausreisen oder abgeschoben werden. Derzeit liegt die durchschnittliche Bearbeitungszeit der Asylanträge bei fünf Monaten.

Der Bundesinnenminister stimmte Woidke, der auch Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz der Bundesländer ist, grundsätzlich zu. Dies würde jedoch eine Gesetzesänderung erfordern, sagte der CDU-Politiker. De Maizière räumte aber auch ein, dass die Kapazitäten dafür momentan kaum reichen. Derzeit gebe es bundesweit 45 000 Erstaufnahmeplätze, sagte er. Allein im Juni gab es fast 33 000 Erstanträge auf Asyl, im Mai knapp 24 000.

Brandenburgs Ministerpräsident nutzte das Treffen auch, um die Forderungen der Bundesländer noch einmal deutlich zu machen. »Wir warten dringend auf einen strukturellen Beitrag des Bundes«, sagte Dietmar Woidke. Den Großteil der Kosten für die Versorgung von Flüchtlingen trügen die Länder, vom Bund kämen nur fünf Prozent, betonte der Regierungschef. Die prinzipielle Zusage der Bundesregierung, sich künftig stärker und vor allem auch dauerhaft zu beteiligen, gebe es bereits. Nun erwarteten die Länder ein konkretes Angebot.

Woidke betonte, dass ihm ein Beitrag pro Flüchtling »am liebsten« sei. Rund 10 000 Euro koste die Unterbringung, Versorgung und Betreuung eines Asylsuchenden im Jahr.

Die Länder müssen sich darauf einstellen, in diesem Jahr noch mehr Flüchtlinge aufzunehmen, als die ohnehin hohe Prognose von 400 000 Anträgen für 2015 nahelegte. Diese Prognose werde man nicht aufrechterhalten können, sagte de Maizière. Er wolle bald angepasste Zahlen bekanntgeben.

Klare Worte fand der Innenminister in Eisenhüttenstadt zu den fremdenfeindlichen Übergriffen auf Asylunterkünfte, die in den vergangenen Monaten immer wieder Schlagzeilen gemacht haben. Sie seien »unverständlich, inakzeptabel und unseres Landes unwürdig«, sagte er. Deutschland stehe angesichts der hohen Zahl von Flüchtlingen zwar vor einer großen Herausforderung. »Aber es ist keine Überforderung für ein freies und reiches Land, das wir sind«, ergänzte de Maizière. epd/nd

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