Tsipras gewinnt, SYRIZA verliert

Große Parlamentsmehrheit für neues Memorandum / Linkspartei vor der Spaltung

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.
Ministerpräsident Tsipras hat die neuen Sparauflagen durchs Parlament gebracht. Aber wieder nur mit Hilfe der Opposition. Der Widerstand bei SYRIZA scheint größer als der in der Bevölkerung.

Am Donnerstagvormittag hatte die Debatte begonnen, doch wer am Morgen des Freitag beim Einschalten von Computer oder Fernseher das Abstimmungsergebnis erfahren wollte, wurde enttäuscht: Erst kurz nach 9 Uhr Ortszeit begann im Parlament in Athen die Abstimmung über ein drittes Kreditpaket in Höhe von 86 Milliarden Euro und die dafür von Griechenland verlangten Maßnahmen. Zuvor hatten die Abgeordneten und Minister leidenschaftlich diskutiert. Vielen der griechischen Politiker war ihre Müdigkeit anzusehen, manch einer zog sich zwischendurch für ein Nickerchen auf eine Hinterbank zurück.

Die Debatte hat sich jedoch auch verzögert, weil stundenlang mit der Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou über Verfahrensfragen gestritten wurde. Die Politikerin der Regierungspartei SYRIZA ist eine scharfe Kritikerin weiterer Sparmaßnahmen - konnte diese am Ende aber wie erwartet nicht aufhalten. Drei der fünf Oppositionsparteien hatten bereits vor Beginn der Diskussion klargestellt, dass sie für die neue Gläubigervereinbarung stimmen würden. Mit 222 Ja-Stimmen wurde das Paket von dem 300-köpfigen Plenum schließlich am Freitagvormittag angenommen.

So konzentrierte sich das Interesse am Ergebnis auf die Zahl der Nein-Stimmen von SYRIZA-Abgeordneten. Bereits bei Abstimmungen im Juli über Maßnahmen wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer hatte Ministerpräsident Alexis Tsipras Widerspruch aus den eigenen Reihen hinnehmen müssen. Diesmal aber brach die Unterstützung seiner Partei noch stärker ein: Von den 149 SYRIZA-Abgeordneten stimmten 32 gegen die Parteilinie, 11 enthielten sich, ein Parlamentarier war der Abstimmung ferngeblieben. Damit fiel die Regierungskoalition unter die Marke von 120 Abgeordneten, die in der Verfassung als Untergrenze für die Verabschiedung eines Gesetzes vorgesehen sind. Zwar wurde dies durch die Stimmen der Nea Dimokratia (ND), PASOK und To Potami ausgeglichen. Die Vorsitzenden der Oppositionsparteien hatten jedoch in der Debatte geäußert, nicht länger die Mehrheitsbeschaffer spielen zu wollen.

»Wir vertrauen Ihnen nicht, aber wir haben keine andere Wahl«, begründete Stavros Theodorakis seine Stimme für die Regierung. Der Vorsitzende der wirtschaftsliberalen To Potami hätte »auch mit dem Teufel zusammengearbeitet, um Griechenland in der EU zu halten«. Die Regierung habe auf ganzer Linie versagt, die Folgen des neuen Gläubigerabkommens habe allein sie zu verantworten, erklärte PASOK-Chefin Fofi Gennimata. Mit ihrem Ja wollte ihre Partei für eine Perspektive Griechenlands in der EU stimmen. Die Zustimmung der ND zum Abkommen sei keinesfalls auch eine zur Regierung, erklärte Evangelos Meimarakis. Das »erste Mal Linksregierung« werde zum »letzten Mal Linksregierung«, so der ND-Vorsitzende.

Der Protest gegen die Verabschiedung des neuen Memorandums außerhalb des Parlaments fiel gering aus. Donnerstagabend waren nur wenige Tausend Menschen den Aufrufen der kommunistischen Gewerkschaft PAME sowie der Gewerkschaft der Staatsbediensteten (ADEDY) gefolgt. Allerdings hängt dies auch mit der Urlaubszeit zusammen - im August ist die sonst quirlige Metropole Athen geradezu ausgestorben. Die allseits heruntergelassenen Rollläden sind also derzeit zumindest nur teilweise den Krisenfolgen geschuldet.

Dies könnte im Herbst bei einer möglichen Neuwahl anders aussehen. Auf jene bereitet sich bereits der linke SYRIZA-Flügel vor. Eine Reihe Politiker der Linkspartei under Vertreter von Organisationen der außerparlamentarischen Linken rief in dieser Woche zur Bildung einer »breiten Bewegung« im ganzen Land auf, um der Sparpolitik ein Ende zu setzen. Griechische Medien werteten dies als »Keim« für die Spaltung SYRIZAs und für die Gründung einer neuen Partei. Ihr Wortführer dürfte Ex-Energieminister Panagiotis Lafazanis werden.

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