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Nicht ganz dicht

Robert D. Meyer über ein Jahr Krautreporter

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Nur noch kurz die Welt retten«, singt der Poppoet Tim Bendzko in dem gleichnamigen Lied aus dem Jahr 2011. Die Botschaft: Nicht ernst gemeint, der Interpret macht sich über Menschen lustig, die vorgeben, etwas Wichtiges zu tun, um anderen Aufgaben zu entgehen.

Großes versprach vor einem Jahr auch Krautreporter.de: Die Initiatoren kündigten an, nicht weniger als den Journalismus mit ihrem Onlinemagazin retten zu wollen. Starke Worte in einer Branche, die lange mit dem Internet fremdelte. Immerhin, ein Prinzip des World Wide Web hatte das Team schon am Anfang verinnerlicht: Sei laut, habe Visionen, ein kleiner Hauch von Silicon Valley. Doch auch in der US-Ideenschmiede gilt, dass aus der Großspurigkeit Erfolge wachsen müssen.

»Auf dem Weg ins Nichts?«, fragte dieser Tage Volker Schütz auf horizont.net und schickte das vernichtende Urteil sogleich hinterher: »Selten hat ein publizistisches Projekt in Deutschland so viele Vorschusslorbeeren bekommen wie die Krautreporter. Doch selten wurde ein Journalisten-Projekt auch so peinlich vergeigt wie der anspruchsvolle Versuch, Online-Journalismus neu zu erfinden.« Anlass für die harte Kritik an den Krautreportern ist nicht nur der erste Geburtstag des Webmagazins, sondern auch die Ankündigung, ab dem 15. Oktober eine Bezahlschranke hochzuziehen. Diese ist allerdings nicht ganz dicht: Leser, die jährlich 60 Euro an die Krautreporter überweisen, dürfen Beiträge mit ihren Freunden in den sozialen Netzwerken teilen, nach 48 Stunden erlischt der freie Zugang aber.

Das wirkt wie der verzweifelte Versuch, den ursprünglichen Solidargedanken des Magazins noch zu retten: Bisher konnte jeder Nutzer alle Artikel lesen, Abos folgten den Gedanken, dass finanzstärkere Leser einer breiten Basis den Zugang zu qualitativ hochwertigem Journalismus ermöglichen. Bei den Abonnenten kam das allerdings nicht an, viele Mitglieder beschwerten sich, dass sie für etwas zahlten, was andere kostenlos lesen könnten. Aus Sicht der Krautreporter trägt somit die Leserschaft die eigentliche Verantwortung, wenn nicht mindestens 6000 der 18 000 Zahlenden (so viele wären zur Finanzierung notwendig) auch im Jahr Zwei dabeibleiben.

»Die Zukunftsfähigkeit des Crowd-Projekts hängt nicht an der Frage, welches Bezahlmodell die Plattform wählt. Das eigentliche Problem ist, dass die Krautreporter es nicht geschafft haben, Krautreporter zu einer unverwechselbaren Marke zu formen«, urteilt Georg Altrogge auf meedia.de. In der Tat müssen sich die Krautreporter fragen, ob ihr bisheriger Journalismus Bleibendes hinterließ. Mit der Ausnahme von Streitigkeiten um den, zeitweise wegen Sexismusvorwürfen mit einem Schreibverbot belegten Journalisten Tilo Jung, sorgte die Plattform nach der ersten Euphoriewelle erzählerisch nie für Herausragendes. Etwas mehr Understatement hätte es auch getan. Nun müssen die Krautreporter zuallererst sich selbst und nicht den Journalismus retten.

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