Anschlag auf die Gesundheit

Spanische Regierung will Fördergelder von VW zurück / Gericht prüft Terrorismusvorwürfe gegen Autokonzern

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 3 Min.
Die spanische Regierung will staatliche Fördergelder von Volkswagen zurück haben. Nach Angaben der VW-Tochter Seat sind 683 626 Wagen im Land vom Abgasskandal betroffen.

José Manuel Soria, der spanische Industrieminister, spricht von Betrug. Seine Regierung habe Fördergelder für schadstoffarme und energieeffiziente Autos gewährt, weshalb die Verbraucher und die Regierung betrogen worden seien. Soria bezifferte die Höhe der Förderung pro Auto mit etwa 1000 Euro.

Das Geld wurde nicht nur für Seat-Modelle bezahlt, sondern auch für andere Modelle aus dem VW-Konzern, die in Spanien ihre Besitzer fanden - insgesamt waren es 257 479 VW-Autos. Dazu kamen 221 783 von Seat und der Rest waren Audi oder Skoda. Der Handel mit den manipulierten Fahrzeugen ist jetzt gestoppt worden. »Sie dürfen nicht mehr in Spanien verkauft werden«, erklärte Soria und er will auch Schadensersatz von Volkswagen fordern. Es könnten deshalb auch in Spanien hohe finanzielle Forderungen auf den Konzern zukommen.

Konzern in Schwierigkeiten

Berlin. Baden-Württemberg will Autobauern mit unangekündigten Prüfungen auf den Zahn fühlen. »Wir brauchen im Verkehr so etwas wie die unangemeldeten Dopingkontrollen«, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) in Stuttgart. In den USA liegt die Strafe für die Manipulationen bei bis zu 18 Milliarden Dollar. In Australien könnte für jedes Auto mit Manipulationssoftware eine Strafe von 687 800 Euro fällig werden.

Im US-Bundesstaat Texas hat ein Landkreis VW verklagt, weil der Autobauer die Verbesserung der Luftqualität untergraben habe. Der texanische Distrikt Harris County fordert 89 Millionen Euro für 6000 VW-Diesel-Fahrzeuge, die dort verkauft wurden. In Deutschland, wo rund 2,8 Millionen VW-Autos vom Skandal betroffen sind, hat VW angekündigt, Autos zurückzurufen und die Manipulation zu beheben. Eine Kaufpreisminderung ist nur möglich, wenn VW die Manipulation nicht in den Griff bekommt. Darüber hinausgehende Schadenersatzansprüche haben nur Aussicht auf Erfolg, wenn nachgewiesen werden kann, dass Mängel vorsätzlich verschwiegen wurden.

Anleger könnten klagen, weil alle börsennotierten Unternehmen durch das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) verpflichtet sind, Aktionäre in einer Ad-hoc-Mitteilung über Ereignisse zu informieren, die Einfluss auf den Aktienkurs haben können. Die Rechtsanwaltskanzlei Tilp, die bereits die erste Klage eines deutschen Aktionärs gegen VW eingereicht hat, argumentiert, dass der Konzern schon am 6. Juni 2008 eine solcheAd-hoc-Meldung hätte abgeben müssen. Damals beantragte VW die Zulassung eines manipulierten Jetta-Modells in den USA. In den USA gibt es die Möglichkeit für Sammelklagen. In Deutschland muss jeder Aktionär selbst klagen. VW verlor 50 Milliarden Euro an Börsenwert, und wirbt in Deutschland in seitengroßen Zeitungsanzeigen um seine Kunden. »Wir werden alles tun, um Ihr Vertrauen zurückzugewinnen«, heißt es in dem Text, der in mehreren Sonntagsblättern abgedruckt war. dpa/nd

Der Industrieminister beklagte auch die Intransparenz. »Wir haben zusätzliche Dokumentationen angefordert«, erklärte Soria. Techniker sollen feststellen, ob Autos betroffen sind, auf deren Abgaswertebasis die Subventionen gewährt wurden. Nach der Kritik des Ministers versucht VW derweil, die Verbraucher im Land darüber aufzuklären, ob sie über einen der manipulierten Wagen verfügen. Am vergangenen Samstag wurde zunächst ein Servicetelefon geschaltet. Doch der Ansturm war derartig umfangreich, dass die Kunden mit extremen Wartezeiten verärgert wurden. Deshalb wurde eine Webseite eingerichtet, auf der Käufer von VW-Autos über die Eingabe der Fahrgestellnummer feststellen können, ob sie betroffen sind. Die Kunden von Seat-, Audi- oder Skoda-Modellen, müssen sich weiter am Telefon gedulden.

Derweil hat die Verbraucherschutzvereinigung Facua eine landesweite Plattform ins Leben gerufen, der sich in fünf Tagen schon mehr als 11 000 Betroffene angeschlossen haben und Anwaltskanzleien bereiten Sammelklagen vor. Facua will aber auf verschiedensten Ebenen vorgehen. Die Vereinigung verweist auf den »schweren Betrug«, dessen sich der Konzern über ein Jahrzehnt schuldig gemacht hätte. Die Verbraucherschützer sprechen von einem »Anschlag auf die Umwelt und die Gesundheit der Verbraucher«.

Facua will sich auch an die nationale Wettbewerbsbehörde und an die Wettbewerbshüter in den Autonomen Gemeinschaften wenden, die hohe Strafen verhängen können. Dort läuft sie offene Türen ein. Die Präsidentin der nationalen Behörde, Elvira Rodríguez, spricht bei der Manipulation der Schadstoffwerte von kriminellen Akten. »Ich glaube, das Vorgehen von Volkswagen ist mehr als ein Delikt«, sagte sie. Verbraucherschützer planen auch privatrechtliche Klagen, denn sie befürchten, dass geplante Nachbesserungen zu deutlichen Leistungseinbußen führen oder den Kraftstoffverbrauch erhöhen könnten. Dem könnten sich die Verbraucher verweigern und eine entsprechende Entschädigung fordern, wenn die Fahrzeuge nicht mehr die versprochenen Charakteristiken aufwiesen.

Doch VW droht jetzt nicht nur finanzielles Ungemach, denn ein Richter am Nationalen Gerichtshof der spanischen Hauptstadt Madrid lässt gerade klären, ob er für die Manipulationen zuständig ist. Das Sondergericht behandelt nur schwere Verbrechen wie Terrorismus, organisierte Kriminalität und ähnliches. Bei Ismael Moreno ist eine Anklage gegen Manager der Volkswagen-Gruppe wegen Umweltvergehen, Urkundenfälschung, Betrug und Steuerhinterziehung eingegangen.

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